Weniger Pestizidrückstände
Der Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden ist im ökologischen Landbau verboten. Entsprechend niedrig sind die in Bio-Lebensmitteln gefundenen Rückstände. »Der überwiegende Teil der Bio-Proben ist rückstandsfrei«, sagt Holger Scharpenberg, der das BNN-Monitoring leitet. Mit dem von ihm aufgebauten Pestizid-Monitoring sorgt der Bundesverband Naturkost Naturwaren BNN e.V. seit über 20 Jahren für die Sicherheit von Bio-Ware. Er lässt Produkte stichprobenartig prüfen und legt dabei einen Orientierungswert zugrunde, der weit unter den gesetzlich festgelegten Grenzwerten liegt.
Dass Rückstände von Stoffen, die dazu bestimmt sind, Insekten, Pilze und Pflanzen zu töten, auch für Menschen nicht gesund sind, leuchtet ein. »Wissenschaftliche Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Pestiziden und Parkinson sowie Leukämie im Kindesalter«, stellt die Heinrich-Böll-Stiftung auf ihrer Website fest. Auch das Risiko für Adipositas und Diabetes sowie neurologische und Fortpflanzungsstörungen steige, so die Stiftung, die regelmäßig den »Pestizidatlas« veröffentlicht. Nun ließe sich kontern, dass auch konventionell erzeugte Lebensmittel in Deutschland in der Regel gering belastet sind: 2022 betrug die Anzahl an Überschreitungen der Rückstandhöchstgehalte bei Lebensmitteln aus Deutschland 1,3 Prozent, bei Produkten aus anderen EU-Ländern 1,5 Prozent, so das Verbraucherschutzmagazin ÖkoTest. Allerdings: Gesetzliche Höchstmengen gelten jeweils für eine Substanz — Lebensmittel können jedoch mit gleich mehreren Pestiziden belastet sein, die sich aufsummieren. Die möglichen Wirkungen solcher »Pestizidcocktails« sind kaum erforscht.
Weniger Nitrat
Ein anderer unerwünschter Stoff, der vor allem in konventionellem Gemüse immer wieder von sich reden macht, ist Nitrat. Bei Nitrat handelt es sich um eine anorganische Stickstoffverbindung, die als Bestandteil von Kunstdünger auf die Felder ausgebracht wird. Nitrat an sich ist für den menschlichen Körper relativ unbedenklich. Im Körper kann es unter Umständen teilweise zu Nitrit umgewandelt werden, was vor allem für Babys gefährlich ist. Weiterhin kann Nitrit mit natürlich vorkommenden Aminen, die in fast jedem Lebensmittel vorkommen, zu Nitrosaminen reagieren, die krebserregend wirken können. Im ökologischen Landbau ist der Einsatz von synthetischen Düngemitteln verboten. Deshalb enthalten sie auch weniger Nitrat: Nämlich nur 49 Prozent im Vergleich zu konventionellem Gemüse, so eine Untersuchung aus dem Jahr 2007.
Mehr Nährstoffe
Eins vorweg: Nicht jedes Bio-Obst oder ‑Gemüse enthält automatisch mehr Nährstoffe als das konventionelle Gegenstück. Denn Einflüsse wie Sorte, Standort, klimatische Bedingungen, Lagerung etc. spielen ebenfalls eine große Rolle, wenn es darum geht, wieviel gesundheitsförderliche Nährstoffe im Endresultat stecken. Dennoch hat Bio oft die Nase vorn: Pflanzen aus Bio-Anbau bilden häufig mehr Zucker als konventionelle — das könnte ein Grund dafür sein, dass Bio vielen Menschen besser schmeckt. Die geernteten Produkte enthalten weniger Wasser und haben damit eine höhere Nährstoffdichte — dass das ernährungsphysiologisch vorteilhaft ist, liegt auf der Hand.
Durchaus nicht zweitrangig: Die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe
Als solche bezeichnet man die Stoffe in Pflanzen, die weder Makronährstoffe (Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate), noch Vitamine, Mineralien und Spurenelemente sind: Dazu zählen Farbstoffe, aber auch Stoffe, mit denen sich die Pflanze vor Fressfeinden oder Sonne schützt, wie Antioxidanzien, Flavonoide, phenolische Substanzen und unzählige mehr. Heute wissen wir, dass sie durchaus nicht zweitrangig sind: Sie spielen eine wichtige, noch längst nicht vollständig erforschte Rolle für die menschliche Gesundheit und sind wahrscheinlich wesentlich verantwortlich für den positiven Effekt von Obst und Gemüse auf die Gesundheit. Da im Bio-Landbau Pestizide und Kunstdünger tabu sind, braucht es Pflanzen, die robust und unanfällig sind und trotzdem gute Erträge bringen. Sie basieren oft auf sogenannten »alten Sorten« — und es ist zu vermuten, dass sie, zum Beispiel zur Abwehr von Fressfeinden, mehr sekundäre Metaboliten bilden. Eine Studie britischer Forschender kam bereits 2011 zu dem Schluss: Würde man von 100 Prozent konventioneller Ernährung auf 100 Prozent Bio umsteigen, würde man 12 Prozent mehr sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe zu sich nehmen.
Pflanzen aus Bio-Anbau bilden häufig mehr Zucker als konventionelle — das könnte ein Grund dafür sein, dass Bio vielen Menschen besser schmeckt. Die geernteten Produkte enthalten weniger Wasser und haben damit eine höhere Nährstoffdichte — dass das ernährungsphysiologisch vorteilhaft ist, liegt auf der Hand.
Qualitätsvorteil Bio: Das Beispiel Milch
Wenn es um Fleisch, Milch und Eier geht, ist für viele Bio-Kund:innen Tierwohl ein wichtigeres Argument als die eigene Gesundheit. Bio-Tiere haben mehr Platz, bekommen besseres Futter, können artgerechter leben. Tatsächlich wirkt sich die Art der Haltung aber auch auf die Qualität der tierischen Bio-Lebensmittel aus. Zum Beispiel bei Milch: Wenn sich Kühe auf der Weide non Gras und Kräutern ernähren dürfen, hat ihre Milch einen höheren Gehalt an »guten« Fettsäuren, wie zum Beispiel n‑3 Linolensäuren oder konjugierter Linolensäure als die von Tieren aus agrarindustrieller Tierhaltung.
Bio-Tiere: Weniger Antibiotika, mehr Gesundheit
Wie in der Landwirtschaft setzen Bio-Betriebe auch in der Tierhaltung gerne auf Rassen, die nicht »ertragsoptimiert« und entsprechend weniger anfällig sind. Dadurch benötigen die Tiere seltener Medikamente — das ist wichtig, weil deren Einsatz im ökologischen Landbau zwar nicht verboten ist (das wäre Tierquälerei), wohl aber streng reglementiert: Erhält ein Tier oder eine Tiergruppe innerhalb von zwölf Monaten mehr als drei Mal eine tierärztliche Behandlung mit chemisch-synthetischen allopathischen Tierarzneimitteln oder Antibiotika, dürfen die betreffenden Tiere und die von ihnen stammenden Erzeugnisse nicht als ökologische Erzeugnisse verkauft werden. Die Wartezeit zwischen der letzten Verabreichung eines allopathischen Tierarzneimittels an ein ökologisches Tier muss doppelt so lang sein wie die gesetzlich vorgeschriebene Wartezeit. In der konventionellen Tierhaltung, mit anfälligeren Rassen und stressigeren, oft beengten Haltungsbedingungen, ist der Einsatz von Antibiotika dagegen immer noch die Norm: 2014 legte die Bundesregierung im Rahmen des Arzneimittelgesetzes ein Antibiotika-Minimierungskonzept vor.
Kollektives Risiko Antibiotikaresistenz
Aus gutem Grund: denn Antibiotikarückstände im Fleisch oder Eiern haben nicht nur Konsequenzen für die individuelle Gesundheit. Der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung trägt zu einem der aktuell größten Gesundheitsprobleme der Menschheit bei: Immer häufiger versagen bewährte Wirkstoffe bei der Behandlung von Menschen, weil die Krankheitskeime gegen immer mehr Antibiotika resistent werden. Je häufiger und breiter die Substanzen eingesetzt werden, umso mehr Chancen haben Erreger, effektive Abwehrstrategien zu entwickeln. 540 Tonnen Antibiotika wurden 2022 in der Tierhaltung verabreicht. Das sind zwar 10 Prozent weniger als im Jahr zuvor, eine echte Trendwende steht jedoch nicht dahinter: »Als ein weiterer möglicher Einflussfaktor für den Rückgang der abgegebenen Menge Antibiotika ist jedoch auch der zeitgleiche Rückgang der Tierzahlen in der landwirtschaftlichen Tierhaltung, vor allem bei Schweinen, zu berücksichtigen. Der tatsächliche Rückgang kann mit Blick auf die Tierzahlen dementsprechend kleiner ausfallen, als die Gesamtabgabemenge vermuten lässt«, wie Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, anlässlich der Vorstellung der Zahlen erläuterte. Sogar der Einsatz von Reserveantibiotika ist erlaubt. Diese wichtigen Stoffe werden in der normalen Behandlung nicht eingesetzt, um Resistenzentwicklungen zu vermeiden und bei der Behandlung von Infektionen mit diesen Keimen noch etwas in der Hand zu haben. Für Menschen bedeutet der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung Risiken: Die Belastung des Lebensmittels mit resistenten Keimen erhöht das Infektionsrisiko des Individuums. Bereits 2018 wies eine Studie des Julius Kühn-Instituts solche Keime auf fertig verpackten Salaten und Kräutern nach. Über Gülle und Abwasser gelangen sie in die Umwelt und in die Trinkwasserreservoirs — eine Bedrohung für die Gesundheit gleichermaßen. »Als Verbraucher:in können Sie mit dem Kauf von Biofleisch, Biomilch und Bioeiern zur Verringerung des Antibiotikaeinsatzes beitragen«, stellt die Verbraucherzentrale auf ihrer Website fest — ein Beitrag für die individuelle und die kollektive Gesundheit.
Verarbeitung zwischen Tradition und Industrie
Fast alle Lebensmittel werden bis zu einem gewissen Grad verarbeitet: Gurken werden eingekocht, Getreidekörner zu Haferflocken gepresst — es ist daher nicht hilfreich, verarbeitete Lebensmittel pauschal zu kritisieren. Aber: Bei den Verfahren und den verwendeten Zusatzstoffen gibt es schon gewaltige Unterschiede. 320 Zusatzstoffe sind in der EU insgesamt zugelassen, für Bio-Lebensmittel sind es nur 56. Einige dieser konventionellen Zusatzstoffe sind durchaus umstritten. So gibt es Hinweise darauf, dass Emulgatoren wie Polysorbat 80, das in Bio-Lebensmitteln verboten ist, Einfluss auf die Darmflora und damit eventuell Einfluss auf die Entwicklung von Darmerkrankungen haben könnten. In Bio-Lebensmitteln ist als Emulgator lediglich Lecithin zugelassen, das natürlich in Tieren und Pflanzen vorkommt.
Ultrahoch verarbeitete Lebensmittel sind vor allem schädlich für die Gesundheit, weil sie gesündere Lebensmittel weltweit vom Speisezettel verdrängen und damit die Entstehung von ernährungsbedingten Krankheiten wie Übergewicht und Diabetes begünstigen.
Ultrahoch verarbeitete Lebensmittel
Besonders im kritischen Fokus der Ernährungswissenschaft stehen aktuell ultrahoch verarbeitete Lebensmittel, die sogenannten Ultraprocessed Foods (UHPs). Dazu gehören zum Beispiel Limos und Fastfood, Tütensuppen, Kartoffelchips, Fertiggerichte und Co. Diese Nahrungsmittel inspirierten den Ernährungsjournalisten Michael Pollan zu der Warnung: »Essen Sie nichts, was Ihre Großmutter nicht als Essen erkannt hätte.« Damit meinte er Produkte, die in Verfahren und mit Substanzen hergestellt werden, die kein Mensch in der Küche verwenden würde (habt Ihr zu Hause etwa einen Extruder? Oder Kaliumhydrogensulfit im Küchenschrank?) UPFs sind vor allem schädlich für die Gesundheit, weil sie gesündere Lebensmittel weltweit vom Speisezettel verdrängen und damit die Entstehung von ernährungsbedingten Krankheiten wie Übergewicht und Diabetes begünstigen. Fairerweise sei angemerkt, dass nicht jedes Bio-Lebenmittel automatisch gesund ist. Limos, Kartoffelchips und Co. gibt es auch im Bio-Markt. Aber erstens sind viele Zusatzstoffe für Bio tabu und zweitens ist der Anteil solcher Produkte am Gesamtsortiment geringer.
Gesundheit hat viele Facetten
Weniger Pestizidrückstände, weniger Antibiotikaeinsatz, mehr gute Fettsäuren und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, weniger Zusatzstoffe: Indizien dafür, dass Bio für die Gesundheit jeder und jedes Einzelnen durchaus vorteilhaft sein kann, auch wenn die wissenschaftliche Absicherung noch nicht abgeschlossen ist, beziehungsweise wissenschaftliche Studien zu dem Thema zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es schwierig ist, den Gesundheitszustand einer Person auf einen bestimmten Faktor zu reduzieren: Menschen, die viele Bio-Lebensmittel kaufen, essen in der Regel mehr Obst und Gemüse und weniger verarbeitete Lebensmittel, oft haben sie auch einen generell gesünderen Lebensstil. Nicht zuletzt hat Essen auch eine sehr wichtige psychologische Komponente: Konsument:innen verbanden in Befragungen Bio-Lebensmittel mit Gesundheit, Genuss und Wohlbefinden — was durchaus zu einer Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens führen kann.
Bio für die kollektive Gesundheit
Gesundheit betrifft nicht nur den einzelnen Menschen, es gibt auch eine kollektive Gesundheit: die der gesamten Bevölkerung und nicht zuletzt die künftiger Generationen. Und da kann der Bio-Landbau definitiv punkten: Pestizide, die nicht eingesetzt werden, verursachen keine Rückstände in Lebensmitteln und gelangen auch nicht in Böden, Luft und Wasser. Das sorgt für mehr Bio-Diversität: Stabile und vielfältige Ökosysteme sind von Vorteil für Tiere und Pflanzen und sorgen für langfristig gesunde Lebensbedingungen. Ein bewusster und sparsamer Antibiotikaeinsatz ist ein Beitrag dazu, das enorme Gesundheitsrisiko, das von multiresistenten Keimen ausgeht, zu begrenzen, weniger Wasserbelastung sorgt für bessere Trinkwasserqualität. Eine Metaanalyse des Thünen-Instituts kommt deshalb zu dem Schluss, »dass eine ökologische Bewirtschaftung verschiedene Umweltbelastungen gleichzeitig reduzieren kann.«
Die Frage, ob Bio gesünder ist, mag noch nicht für jedes Detail eindeutig zu beantworten sein. Betrachtet man das große Ganze, vom Samenkorn bis zum Produkt im Regal, von der individuellen bis zur kollektiven Gesundheit und der des Planeten, dann sind die Indizien überwältigend: Ja, Bio ist gesünder.