Nach Fisch riecht es im Bruthaus nicht. Kein bisschen. Obwohl in den zwei großen grünen Wasserbecken 30.000 kleine Fische, sogenannte Brütlinge, leben. Die zarten Elsässer Saiblinge und Seeforellen wuseln, unter Styroporplatten vor Licht geschützt, durch das Wasser. Ständig fließt mehrfach gefiltertes Wasser aus dem oberfränkischen Bach Kainach in die Wasserbecken nach. Ein junger Mann steht in braunen Gummistiefeln mitten in einer großen Pfütze und blickt in das Becken hinein. »Das Wasser ist so rein. Ich würde ohne Bedenken aus dem Becken trinken«, sagt Jakob Degen und lacht. Bis die Brütlinge Speisefischgröße haben, werden drei bis vier Jahre vergehen. Damit unterscheidet sich die Bio-Fischzucht des 21-jährigen Fischwirts von dem Großteil der Betriebe in Deutschland. »In konventionellen Anlagen braucht der Fisch etwa acht Monate bis knapp zwei Jahre bis er schlachtreif ist.« Der oberfränkische Betrieb gehört zu den lediglich 1,7 Prozent der knapp 2.400 Betriebe, die nach Bio-Richtlinien produzieren. Bio-Fisch aus Deutschland? Immer noch eine Rarität.
Fischverrückt und qualitätsbewusst
»Ich war von klein auf ziemlich fischverrückt, bin immer mit meinem Papa angeln gegangen«, sagt Jakob Degen und hebt mit einem Kescher ganz vorsichtig die kleinen Fische aus dem Becken. Vor gut zehn Jahren kaufte sein Vater eine kleine Forellenteichanlage in einem Waldstück in der Nähe der oberfränkischen Stadt Hollfeld. »Ursprünglich gab es hier nur zwei Teiche. Wir haben die Anlage nach und nach ausgebaut.« Zunächst bewirtschafteten Vater und Sohn die Anlage konventionell. Der Betrieb wuchs und mit ihm die Produktionsmengen. »Vor etwa fünf Jahren wollten mein Vater und ich ein Stück weitergehen. Unsere Qualitätsansprüche stiegen. Gleichzeitig wollte ich nachhaltig und umweltschonend arbeiten.« Und so entschied sich das Vater-Sohn-Gespann dazu, die Fischzucht gemäß der Naturland-Richtlinien bio-zertifizieren zu lassen.
Mehr Fischwohl in der Aquakultur
Mittlerweile betreibt Jakob Degen die Bio-Fischzucht allein. Nur zu Feiertagen oder wenn große Veranstaltungen anstehen, helfen seine Eltern noch aus. In seiner Anlage schwimmen vor allem verschiedene Saiblings- und Forellenarten, darunter einheimische Fischarten, wie die in Oberfranken vorkommende Bachforelle, aber auch echte Raritäten, wie den Arktischen Seesaibling. Und das alles in Bio-Qualität. »Das Fleisch unserer Fische ist wesentlich fester, hat weniger Fett. Konventionelle Forellen haben dagegen recht schwammiges Fleisch, die schmecken einfach nicht so wie meine«, sagt Degen stolz. Neben dem Geschmack sieht Jakob Degen große Unterschiede in der Haltung der Fische. Seinen Schützlingen soll es gutgehen. »Ich habe zum Beispiel überall in meinen Becken Kies unten drin, so wie es in der Natur auch wäre.« Das trage zum Wohlgefühl der Tiere bei. Auch zahlreiche Wasserpflanzen wachsen in seinen Teichen: Seerosen, Wasserlinsen, Schwertlilien, verschiedene Krautarten. »Wenn irgendwo eine Pflanze wächst, zupfe ich die nicht gleich raus, sondern lasse sie als Unterstand für die Fische drinnen.« Je naturnaher die Lebensbedingungen, desto wohler fühlen sich die Fische.
Weltmeere schützen
Der Fischwirt greift sich einen blauen Eimer mit Fischfutter und geht zu einem der drei Fließkanäle. Nur wer genau hinsieht, kann unter der Wasseroberfläche die Forellen schwimmen sehen. Jakob Degen lässt das Bio-Fischfutter im hohen Bogen in den dunklen Kanal fliegen. Sobald das Futter auf die Wasseroberfläche trifft, zappelt und brodelt es im Wasser. »Mein bio-zertifiziertes Fischfutter besteht aus Bio-Sojaextraktionsschrot, Bio-Getreide und nachhaltigem Fischmehl.« Vom konventionellen Futter hält Jakob Degen nicht viel. »Oft werden die Fische aus den Meeren herausgefischt, nur damit sie als Fischmehl dabei helfen, andere Fische zu produzieren. Das macht einfach keinen Sinn.« Im biozertifizierten Fischfutter sei der Anteil an Fischmehl deutlich reduzierter und bestehe aus Schlachtabfällen, statt, wie sonst oft üblich, aus industrieller Fischerei eigens zur Futtermittelproduktion. »Das schont die Weltmeere«, sagt Jakob Degen.
Mehr Platz und Luft für die Tiere
Und noch einen wichtigen Unterschied gebe es zur konventioneller Teichwirtschaft. Die Fische haben Platz. »In konventionellen Anlagen wimmelt eine schwarze Masse auf dem Wasser, so eng leben die Fische dort.« In seinen Teichen und Kanälen hat Jakob Degen wesentlich geringere Besatzdichten. »Die Bio-Richtlinien geben vor, dass wir im Ablauf unserer Fischteiche, also dort wo das Wasser zurückgeführt wird, 70 Prozent Sauerstoffgehalt haben müssen.« Fällt der Sauerstoffgehalt unter diese Marke, müssen Fische rausgeholt und umgesetzt werden. »In der konventionellen Zucht wird unter anderem flüssiger Sauerstoff verwendet, um die Sauerstoffsättigung im Wasser hoch zu halten.« Die Fische leben dicht gedrängt und werden mit eiweißreichen Fischmehlcocktails im Rekordtempo zur Schlachtreife gebracht. Massentierhaltung im Wasser – mit all ihren negativen Folgen. Die unnatürliche Enge in der konventionellen Fischzucht schadet den Tieren, macht sie anfälliger für Krankheiten. Also muss das Futter mit Antibiotika angereichert werden, damit Erreger nicht einen ganzen Bestand vernichten. Jakob Degen arbeitet nur mit Peressigsäure, die gegen Parasiten, Bakterien, Pilze und Viren wirkt, und mit Salz. »Das Salzbad ist für die Fische, wie für die Menschen eine Massage. Es regeneriert ihre Schleimhaut, danach sind sie richtig fit.« Dass Jakob Degen seine Fische am Herzen liegen, sieht man, wenn man ihm bei der Arbeit mit den Fischen zusieht. Selbst die Fische scheinen das zu merken. Als der Fischwirt eine Bachforelle mit dem Kescher aus dem Teich holt und sie in der Hand hält, liegt sie ganz still dort. Später lässt er sie sanft zurück in den Teich gleiten.
»Meine Laichfische sind ziemlich tiefenentspannt. Sie wissen, dass sie nur kurz angeguckt werden und dann in den Teich zurück dürfen.« Über den Teichen und Kanälen halten Netze Fischreiher und Kormorane fern. Auch der Fischotter bedroht die Anlage. Zäune sollen ihn vom Eindringen abhalten. »Eine Fischotter-Familie frisst in zwei Wochen einen ganzen Teich leer.« Der Schaden wäre immens. Deswegen rüstet der Fischwirt die Anlage mit zusätzlichen Schutzzäunen um die Teiche auf.
Artgerechtes Leben endet auf dem Teller
Doch natürlich: Die Fische sind keine Haustiere. Jakob Degen kümmert sich nicht nur um das Wohl der Fische, er schlachtet sie auch selbst. Vor ihrem Tod betäubt er sie mit einem Schlag auf den Kopf. »Dann merken sie nichts mehr.« Auch das ist ihm wichtig. In einer Stunde schlachtet er bis zu 100 Forellen. »Es ist immer die gleiche monotone Bewegung. Nach 500 Stück langt es dann auch erstmal.« Als Ein-Mann-Betrieb stehen an jedem Arbeitstag neue Aufgaben an. Das ist es auch, was Jakob Degen an seinem Beruf so schätzt: Er ist abwechslungsreich und vielseitig. Auch seine Produktpalette ist groß. Mal räuchert er seinen Fisch über Kirschholz, mal macht er Sushi, Fischcreme oder Salat daraus. In der Großküche eines ehemaligen Restaurants hat er genügend Platz, um sich auszuprobieren. Er lässt sich gerne »wilde Rezepte« einfallen, wie er selbst sagt. Was schmeckt, landet auf der Verkaufsliste. Der Fischwirt verkauft seine Fischprodukte an Privatkunden und in den Bio-Märkten im Umkreis. Momentan hofft er, einen Platz auf dem Nürnberger Hauptmarkt zu ergattern. Die Bewerbung läuft. Das wäre »eine große Sache«, sagt Jakob Degen. Sein Verkaufsgebiet würde sich deutlich vergrößern.
Bio-Fisch im Trend
Die Nachfrage nach Bio-Fischprodukten ist groß. »Die Leute wollen nachhaltig und gesünder essen«, sagt Jakob Degen. Die Zertifizierung als Bio-Fischzucht war ein »bürokratischer Akt«, aber alternativlos für die Fischereifamilie. Zwei bis drei Mal im Jahr wird seine Anlage überprüft. »Bisher ohne Beanstandungen«, stellt der Fischwirt fest. Trotz der vielen Arbeit bleibt ihm die Zeit für ein Liebhaberprojekt: Die Zucht von arktischen Seesaiblingen. »Der Geschmack ist einzigartig, aber kaum jemand züchtet sie, weil sie sehr anspruchsvoll sind.« Die Fische brauchen konstante Wassertemperaturen von maximal zwölf Grad. »Unser bayerisches Wasser ist für die Fische oft zu warm.« Doch bei Jakob Degen auf der Anlage sind die Bedingungen optimal, »durch die Quellen in meinem Bach bleibt das Wasser konstant kühl.« Vier bis fünf Jahre brauchen die Fische bis sie laichreif sind, dann will der Fischwirt sie als Speisefisch ins Sortiment aufnehmen.
Engagement für Renaturierung
Die meisten Eschen, die Jakob Degen seit eineinhalb Jahren ebenfalls züchtet, werden nicht so lange in seiner Anlage bleiben. »In unseren heimischen Bächen ist ihr Bestand stark zurückgegangen, unter anderem wegen Gewässerverschmutzungen, sinkenden Wasserdurchlaufmengen und durch Prädatoren wie Kormorane, Fischreiher, Fischotter und Minke.« Jakob Degen züchtet sie für Renaturierungsprogramme, in denen Eschen in Bächen wiedereingeführt werden sollen. Auch Angelvereine, die ein Fließgewässer haben, kommen auf Jakob Degen zu. Die Nachfrage ist riesig. »Der Markt kann den Bedarf nicht decken.«
Mit einer zweiten Fischzuchtanlage möchte Jakob Degen sein Angebot weiter wachsen lassen. »In den ersten Jahren haben wir mit tausend oder zweitausend Brütlingen angefangen«, erinnert er sich. Heute ist er im Zehntausenderbereich. Trotzdem zählt seine Fischzucht mit bis zu sechs Tonnen Fisch im Jahr noch zu den kleinen Betrieben. Der Umbau in der zweiten Anlage hat bereits begonnen. »Dort gibt es fünf Teiche, die Trinkwasserqualität haben.« Gute Voraussetzungen für mehr regionalen Bio-Süßwasserfisch, der eine Alternative zu Fisch aus dem Meer und damit letztlich eine Chance für die Fischbestände der Weltmeere werden könnte.
→ Kristin Kasten
Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 91 — Sommer 2021