Ein schlichtes Molekül aus einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen ist die Grundlage allen Lebens auf der Erde: H2O. Ohne Wasser kein Wetter, keine Meere, kein Leben. Der menschliche Körper besteht zu 70 Prozent aus Wasser, das ständig »nachgefüllt« werden muss, damit die Stoffwechselprodukte reibungslos laufen können. Wasser gilt — gerade angesichts des Klimawandels — als eine der wichtigsten globalen Ressourcen, es kann Krisen und Kriege auslösen.
Aus dem Hahn oder aus der Flasche
In Deutschland sind wir in der privilegierten Situation, dass sauberes Trinkwasser aus den Leitungen fließt — zum Trinken, zur Lebensmittelzubereitung, zum Duschen und Putzen. Trotzdem: Auch hier ist die Qualität des Trinkwassers bedroht, zum Beispiel durch Nitratbelastung aus der konventionellen Landwirtschaft (womit wir wieder beim Thema externalisierte Kosten wären, s. S. 6 ff). Viele Menschen misstrauen deshalb dem Nass aus der Leitung. Wer auf ökologisch erzeugte Lebensmittel setzt, möchte auch beim Wasser hohe Qualitätsanforderungen erfüllt sehen. Welche Anforderungen muss Wasser in Flaschen erfüllen und was zeichnet das Wasser-Sortiment im Bio-Laden aus?
Streng reglementiert: Mineralwasser
Was heute als Mineralwasser im Laden steht, fiel vor vielen Jahrhunderten als Regen vom Himmel. Während das Wasser langsam durch tiefe Erd- und Gesteinsschichten sickerte, wurde es gereinigt und gefiltert, gleichzeitig nahm es Mineralien aus dem Gestein auf, vermischte sich mit Kohlensäure aus unterirdischen Vulkanen. Da die Erd- und Gesteinsschichten in jeder Region eine unterschiedliche Zusammensetzung haben, hat auch jedes Wasser sein ganz eigenes Profil. Was sich in Deutschland Mineralwasser nennen darf, definiert die Mineral- und Tafelwasserverordnung: Es darf nur in die Flasche, was aus tiefen, unterirdischen Vorkommen stammt und so vor Verunreinigungen geschützt ist. Die Qualität muss gleichbleibend sein, das heißt, die Inhaltsstoffe dürfen nur gering schwanken. Mogeln gilt nicht: Denn das Wasser muss direkt am Gewinnungsort abgefüllt werden, die Zusammensetzung der enthaltenen Mineralien darf nicht geschönt werden. Die exakte Zusammensetzung muss auf dem Etikett deklariert werden. Bei Mineralwasser sind nur wenige Behandlungsverfahren erlaubt: Schwefel, Eisen und Kohlensäure dürfen entzogen bzw. zugesetzt werden. Wird ein Wasser als »für die Zubereitung von Säuglingsnahrung geeignet« ausgelobt, muss es strenge Grenzwerte u.a. für Natrium, Nitrat, Uran oder Mangan einhalten. Als »natriumarm« dürfen Wässer deklariert werden, bei denen der Gehalt unter 20 Milligramm pro Liter liegt. Übrigens: Ein bestimmter Mineralstoffgehalt ist für Mineralwasser nicht vorgeschrieben, manches Mineralwasser enthält weniger Mineralien als Leitungswasser. Mineralwasser ist das einzige Produkt, das in Deutschland nur mit amtlicher Anerkennung in den Verkehr gebracht werden darf.
Prickelnd oder still
Das ist eine Frage des Geschmacks: Die sprudeligste Variante wird heute meist als »Classic« gehandelt, im Bio-Laden dominieren die Medium- (etwas Kohlensäure) und stillen Wässer. Aber wo kommt eigentlich das Prickeln her? Da gibt es zwei Möglichkeiten: Mineralwasser kann von Natur aus mehr oder weniger Kohlensäure enthalten. Sie sorgt nicht nur für die kleinen Bläschen, sondern auch dafür, dass das Wasser länger haltbar bleibt. Kohlensäure gehört zu den ganz wenigen Stoffen, die Mineralwasser mit physikalischen Verfahren entzogen oder auch zugesetzt werden darf. Steht auf dem Etikett mit »Mit eigener Quellkohlensäure«, dann stammt diese aus der Originalquelle. Heißt es dagegen »Mit Kohlensäure versetzt« dann kam technisch hergestellte Kohlensäure zum Einsatz.
Kann Wasser »Bio« sein?
Welches Wasser im Bio-Laden verkauft werden darf, dazu gibt es keine verbindlichen Regeln. Und streng genommen kann ein Wasser ja auch nicht Bio sein, die Bio-Zertifizierung ist pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln vorbehalten. Trotzdem gibt es Bio-Mineralwasser. Die Arbeitsgemeinschaft Bio-Mineralwasser will nicht nur die Qualität des von ihr zertifizierten Wassers sichern. Es geht ihr darum, die Prinzipien von Bio konsequent auf Wasser zu übertragen und, wie sie auf der Website formuliert, »Mineralbrunnen zu Bio-Wasserbauern« zu machen. Entsprechend unterstützen Bio-Verbände wie Bioland, Biokreis, Demeter und Naturland das Siegel der Qualitätsgemeinschaft. 14 Betriebe der Mineralbrunnenbranche wirtschaften nach den Richtlinien.
Ganzheitlich und alternativ
Für viele Menschen, die im Bio-Laden einkaufen, ist Wasser mehr als nur Flüssigkeitsversorgung. Sie betrachten es aus alternativmedizinischer Sicht, nach der es auch Träger von Schwingungen und energetischen Informationen ist. Ganzheitlich orientierten Wasserkäufer:innen ist zum Beispiel wichtig, dass das Wasser aus artesischen Quellen oder Brunnen stammt. Das bedeutet, dass es nicht mit Druck aus dem Untergrund hochgepumpt werden muss, sondern frei fließend zu Tage tritt. Die Abfüllenden artesischer Quellen sprechen dabei von »lebendigen Wassern«, da so die ursprüngliche Molekularstruktur, seine »Informationen« und Energien erhalten bleiben sollen. Viele Kund:innen greifen bewusst zu sehr niedrig mineralisierten Sorten, die als besonders geeignet betrachtet werden, um Abbauprodukte aus dem Körper hinauszutransportieren. Über die vorgeschriebene Qualitätssicherung hinaus nutzen die Anbietenden oft zusätzliche Analyseverfahren wie Kristallanalyse oder Bioelektronik.
Glas-Mehrweg und Regionalität
Im Bio-Laden ist das keine Frage: Hier dominiert die Glas-Mehrwegflasche. Glas gilt als das optimale Material, um Wasser vor Umwelteinflüssen zu schützen. Eine andere gängige Verpackung sind Flaschen aus dem Kunststoff Polyethylenterephtalat, kurz PET. PET-Flaschen sind leicht, das ist günstig, wenn es um Transportwege geht und auch sie können mehrfach befüllt werden. Im Bio-Bereich ist PET dennoch nicht sehr beliebt: Bei der Herstellung und Lagerung von PET-Flaschen entsteht der Stoff Acetaldehyd. Geht Acetaldehyd aus der Flasche in das Getränk über, kann es in Mineralwasser schon in sehr kleinen Mengen geschmeckt und gerochen werden. Diskutiert wird auch eine mögliche Belastung durch Mikroplastik und andere Substanzen. Gerade beim Thema Mehrweg spielen die Transportwege eine große Rolle, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Rund 500 regionale Mineralwässer gibt es laut VDM in Deutschland — wer auch beim Wasser auf Regionalität setzen möchte, wird also mit hoher Sicherheit fündig. Im Bio-Bereich gibt es auch Anbietende, die prinzipiell nur in einem bestimmten Radius ausliefern.
Im Trend: Wasser als Genuss
Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich Wasser schmecken kann: Hart oder weich, leicht säuerlich, salzig oder mit einer klitzekleinen Bitternote… Es gibt sogar Wasser-Sommeliers und ‑Sommelieren, die sich ganz dem Thema widmen, welches Wasser zu welchem Wein oder Whisky passt, beziehungsweise welches Wasser welche Speise ausdrucksvoll begleitet. Das lässt sich übrigens auch zu Hause bewusst praktizieren und genießen: Einfach mal ein Wasser wie einen Wein über die Zunge rollen lassen, nachschmecken, bewusst Geschmack und Mundgefühl registrieren. Oder eine Wasserverkostung mit unterschiedlichen Sorten im Familien- oder Bekanntenkreis organisieren. Vielleicht entdeckt ihr dabei einen neuen Geschmacksliebling.