Wie bist Du zur Naturfriseurin geworden?
Monika Banzirsch: Ich selber hatte Glück und bin nicht durch Hautprobleme oder Allergien zum Umstellen gezwungen worden. Aber ich habe einfach zu häufig bei meinen Kund:innen gesehen, was konventionelle chemische Mittel mit den Haaren und auf der Kopfhaut anrichten. Das wollte und konnte ich so nicht mehr machen und ich wusste, dass es Alternativen gibt. Jetzt bin ich seit fünfzehn Jahren Naturfriseurin. Ich habe meinen eigenen Salon im Mühlviertel in Österreich, gebe als Fachreferentin bei der Culumnatura*-Akademie mein Wissen weiter und stehe aus vollem Herzen zu dem, was ich mache.
Für die meisten Menschen beginnt Haarpflege mit der Haarwäsche. Wollen wir da einsteigen?
Bevor wir auf das Waschen kommen: Wir Naturfriseur:innen appellieren an die Menschen, zu bürsten, und zwar sowohl die Kopfhaut als auch die Haare.
Die klassischen »hundert Bürstenstriche«? Das ist ein bisschen aus der Mode, oder?
Aber ganz, ganz wichtig. Unsere Kopfhaut gibt das sogenannte Sebum ab, das ist die optimale Haarpflege, die unser Körper produziert. Wenn wir bürsten, dann verteilen wir diese Pflege im Haar und reinigen gleichzeitig die Kopfhaut.
Kommt es auch auf die Bürste an, die ich verwende?
Natürlich! Hundert Bürstenstriche mit einer Plastikbürste, das bringt nichts und birgt sogar ein Verletzungsrisiko für die Kopfhaut. Bürsten und Kämme sollten aus Naturmaterialien bestehen, Bürsten aus Holz und Naturborsten, für Kämme ist Horn ein ideales Material. Damit vermeide ich auch, dass sich die Haare statisch aufladen. Für Menschen, die keine tierischen Produkte wie Borsten vom Schwein verwenden wollen, gibt es mittlerweile pflanzliche Alternativen.
Es geht nicht nur darum, dass wir uns selber etwas Gutes tun. Es geht vor allem auch um die Umwelt, um die Zukunft.
Monika Banzirsch
Aber beim intensiven Bürsten gehen doch ganz schön viele Haare aus?
Tatsächlich haben viele Menschen Angst, dass sie durch Bürsten Haarausfall verstärken. Aber ob jemand Haare verliert, hat nichts damit zu tun. Da werden nur Haare, die sowieso am Ende ihrer natürlichen Lebensphase sind, entfernt. Gleichzeitig wird die Kopfhaut stimuliert und wir wirken übermäßigem Haarausfall langfristig entgegen.
Muss ich die Haare dann auch seltener waschen?
Genau. Einmal in der Woche ist dann für viele völlig ausreichend. Wenn wir jetzt zum Waschen kommen, noch etwas Grundsätzliches, nämlich: Woraus besteht denn das Haar? Stark vereinfacht lässt sich sagen, Eiweiß, also Proteine, und Feuchtigkeit. Bei der natürlichen Haarpflege achten wir darauf, dass wir wirklich natürliche, naturreine, Bio-Rohstoffe verwenden, damit ich dem Haar und der Kopfhaut auch wieder zurückgeben kann, was ich durch das Waschen wegnehme.
Was heißt das, wenn es um Shampoo geht?
Da sind die Tenside, also die waschaktiven Substanzen, entscheidend. Im Bio-Markt gibt es viele Shampoos mit Cocoglucosiden, das sind sogenannte Zuckertenside, die nicht aggressiv sind, im Gegensatz zum Beispiel zu konventionellen Tensiden wie Sodiumlaurylsulfat. Viele dieser Stoffe reinigen einfach viel zu stark, ziehen wirklich alles von Haar und Kopfhaut runter. Die werden teilweise auch im technischen Bereich, in Werkstätten, zum Schmieröl abziehen verwendet! Wenn ich die Haare regelmäßig bürste und wenn nötig mit zertifizierten naturkosmetischen Shampoos wasche, dann bleibt der natürliche Schutzmantel von Haar und Kopfhaut intakt und ich habe gleichzeitig geschmeidiges und gepflegtes Haar. Und wenn ich einen Beruf habe, wo ich mir vielleicht doch häufiger die Kopfhaut waschen muss, weil es staubig ist oder ich im Küchendunst stehe, dann ist das nicht so schlimm, wenn ich diese naturkosmetischen Shampoos mit milden Zuckertensiden verwende, dann kann ich mir die Haare auch jeden Tag waschen.
Hast Du nicht manchmal auch Kund:innen, die entsetzt sind oder das sogar ein bisschen eklig finden, wenn Du ihnen sagst, wascht Eure Haare seltener und Euer Kopfhauttalg ist das beste Pflegemittel?
Das ist ja ein Prozess. Wenn jemand neu zu mir kommt, dann sind die Haare meist belastet durch Rückstände von synthetischen Produkten wie Silikonen. Die sollen natürlich runter und das bedeutet, dass wir in dieser Phase auch häufiger waschen – aber eben schonend mit dem »neuen« Shampoo. Es geht gar nicht darum, jemandem zu sagen, wie oft das Haar gewaschen werden darf, sondern wieder wahrzunehmen: Wie fühlt sich meine Kopfhaut an, mein Haar, was braucht es? Nach meiner Erfahrung wird das Haar in der Umstellung auf natürliche Pflege sogar oft fettiger. Die Kopfhaut war ja vorher quasi versiegelt. Wenn ich dann umstelle, werden die Poren geöffnet, die Haut kann wieder atmen. Das pendelt sich dann alles wieder wunderbar ein.
Wenn du dich für Haarpflege interessierst:
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Aber wenn jemand lange konventionelle Produkte verwendet hat und möchte das in Zukunft nicht mehr tun, dann ist das erstmal wirklich eine Umstellung?
Doch, schon. Gerade wenn es schon Haarprobleme gibt, ist es eine echte Hilfe, wenn man sich von einer Naturfriseurin oder einem Naturfriseur begleiten lässt. Bei medizinischen Problemen wie Ekzemen verweisen wir natürlich immer auf Hautärzt:innen, aber wir können bei der Pflege effektiv unterstützen. Das ist sehr motivierend, um dran zu bleiben mit neuen Routinen. Und dann kommt der Punkt, wo Kund:innen es selber spüren, dass es gut tut und funktioniert.
Wenn ich jetzt diese naturkosmetische Basisroutine mit Waschen und Bürsten aufgebaut habe, brauche ich dann noch Pflegeprodukte, zum Beispiel bei langen Haaren?
Bei langen Haaren ist es natürlich so, dass sie in den Längen spröde werden, sie sind der Sonne ausgesetzt, unter Umständen auch Salzwasser … Das Deckhaar wird definitiv strapaziert und braucht eine entsprechende Pflege. Da gilt dann genau das Gleiche wie beim Waschen: Es kommt auf naturreine, natürliche, Bio-Rohstoffe an. Dann kann ich das Haar versorgen und gleichzeitig kann die Kopfhaut atmen.
Und natürlich das Bürsten nicht vergessen?
Genau! Zur Stärkung und Pflege des Haares setzen wir auch sehr gerne Pflanzenhaarfarben ein. Die bringen eben nicht nur Farbpigmente ins Haar sondern ummanteln und stärken es, sorgen für zusätzlichen Halt.
Für viele Menschen ist Haarstyling eine tägliche Selbstverständlichkeit. Was empfiehlst Du da als Naturfriseurin?
Es kommt auch hier auf die Qualität der Inhaltsstoffe an. Es gibt naturkosmetische Haarwachse und Gele, die man bedenkenlos verwenden kann. Es geht ja nicht darum, jemandem etwas zu verbieten und zu sagen »Das darfst Du jetzt nicht mehr«. Ich hole die Leute da ab, wo sie sind. Wenn jemand gewohnt ist, ein Haargel zu verwenden, warum nicht? Oder wenn Menschen einfach Spaß haben an Pflege und Styling, gerne Produkte anwenden möchten, dann können sie das auf jeden Fall tun – aber eben mit den richtigen!
Allerdings ist es schon so: Viele Menschen, die ihre Haarpflege, also Waschen, Bürsten, Pflegen konsequent umgestellt haben, stellen fest, dass ihr Haar von sich aus viel fester ist, viel mehr Halt hat, sich besser frisieren lässt und verwenden dann einfach weniger Stylingprodukte. Ein guter Haarschnitt trägt übrigens auch einiges dazu bei, dass Haare gut sitzen und sich einfach stylen lassen!
Also, die Haare natürlich zu pflegen, ist zwar eine kleine Umstellung, aber es lohnt sich?
Unbedingt. Was mir noch sehr wichtig ist: Es geht nicht nur darum, dass wir uns mit einer gesunden Ernährung mit Bio-Produkten und natürlicher Pflege mit zertifizierter Naturkosmetik selber etwas Gutes tun. Es geht vor allem auch um die Umwelt, um die Zukunft. Wenn ich nur daran denke, was in der konventionellen Friseurbranche so täglich ins Abwasser geht… Ich lebe auf einem wunderschönen grünen Fleckchen Welt und ich möchte, dass das auch meine Enkelkinder können.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Vielen Dank für das Gespräch!
→ Interview: Jeanine Tovar | Fotos: © pexels.com
Monikas Salon findet ihr unter: natürlich-monika.at
Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 94 — Frühjahr 2022