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Plä­doy­er für die Sei­fe
Das gute Stück

Seife ist eine der großen Errungenschaften der Menschheit. Trotzdem scheint sie — nach einem kurzen Zwischenhoch — gerade wieder zum Nischenprodukt zu werden. Wir finden das schade, denn Seife ist ein nachhaltiges Stück Kulturgut.
Bioboom Ausgabe 103 — Das gute Stück — Plädoyer für die Seife
Bioboom Ausgabe 103 — Das gute Stück — Plädoyer für die Seife

Siehe auch:

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Wer »Sei­fe im Trend« goo­gelt, wird fün­dig: »Sei­fen sind wie­der gefragt«, »Fes­te Sei­fen sind zurück«, »Das Come­back der Sei­fe« — um nur eini­ge Fund­stel­len zu nen­nen. Der Haken: Die Fund­stel­len datie­ren alle­samt von cir­ca 2020. Aktu­el­les: Funk­stil­le. »Sei­fen und Syn­dets, die wäh­rend der Pan­de­mie­jah­re enorm nach­ge­fragt waren, notie­ren als ein­zi­ge Kate­go­rie der Schön­heits­pfle­ge­pro­duk­te nega­tiv«, teil­te der Indus­trie­ver­band Kör­per­pfle­ge und Wasch­mit­tel (IKW) Ende 2023 mit — um hef­ti­ge 8,9 Pro­zent gin­gen die Umsät­ze zurück. Da in den Zah­len nicht nur Sei­fen und Syn­dets, son­dern auch Fes­tes und Flüs­si­ges zusam­men erfasst wur­de, lässt sich nicht sagen, wie es bei den rei­nen Sei­fen­stü­cken aus­sieht. Gefühlt ist die Aus­wahl im Regal jeden­falls klei­ner geworden.

 

Fast so alt wie die Menschheit

 

Die Geschich­te der Sei­fe ist fast so alt wie die der Mensch­heit sel­ber. Ein von den Sume­rern ver­fass­tes Rezept für eine Vor­form der Sei­fe wur­de auf einer Ton­ta­fel im Gebiet des heu­ti­gen Iraks gefun­den — Beweis dafür, dass Rei­ni­gung bereits vor Tau­sen­den von Jah­ren The­ma war. In der Hoch­kul­tur Ägyp­ten wur­de mit Soda ver­setz­te Pott­asche – eine Mischung aus ver­brann­ten Pflan­zen und Ölen — genutzt, nicht nur zur Kör­per­rei­ni­gung, son­dern auch um Ver­schmut­zun­gen aus Klei­dung zu ent­fer­nen. Die Römer der Anti­ke ent­deck­ten die Sei­fe dann auch als deko­ra­ti­ves Kos­me­ti­kum für sich und benutz­ten sie zum Bei­spiel als eine Art Haargel.

 

Vom Nahen Osten bis zur Indus­tri­el­len Revolution

 

Die ers­ten »rich­ti­gen« Sei­fen ent­stan­den erst in den Jahr­hun­der­ten dar­auf: In Vor­der­asi­en wur­den wohl erst­mals Öle, Sal­ze, Pott­asche und Kalk so lan­ge mit­ein­an­der ver­kocht, bis eine fes­te Sei­fe ent­stand, die man zu einem Stück for­men und auch por­tio­nie­ren konn­te. Bis heu­te hat die Sei­fen­her­stel­lung dort Tra­di­ti­on: Die syri­sche Alep­po­sei­fe aus Oli­ven- und Lor­beer­öl gehört zu den wohl bes­ten der Welt und ist ein abso­lu­ter Klas­si­ker. Erst im Mit­tel­al­ter gelang­te das Sei­fen-Wis­sen über Händ­ler und Rei­sen­de schließ­lich auch nach Euro­pa. Hier waren die luxu­riö­sen Erzeug­nis­se der Sei­fen­sie­derei­en aller­dings vor­erst nur dem Adel vor­be­hal­ten. Aus­ge­hend von Metro­po­len in Frank­reich und Spa­ni­en ent­wi­ckel­te sich mit den Jah­ren aber in fast allen euro­päi­schen Län­dern eine äußerst pro­spe­rie­ren­de Bade­kul­tur. Die öffent­li­chen Bade­häu­ser wur­den dem Bür­ger­tum und spä­ter sogar der ärme­ren Bevöl­ke­rung zugäng­lich gemacht. In Fol­ge der Pest­epi­de­mien kam das Waschen mit Was­ser und Sei­fe aus der Mode (ein ver­häng­nis­vol­ler Irr­tum) und wur­de von Par­füm und Puder ver­drängt. Erst im 19. Jahr­hun­dert nahm die Nach­fra­ge nach dem Sau­ber­ma­cher wie­der an Fahrt auf, bald schon wur­de Sei­fe auch indus­tri­ell hergestellt.

 

Von der Kunst des Seifensiedens

 

Damals wie heu­te bleibt die Grund­for­mel für eine Sei­fe immer die glei­che: Fett und Lau­ge. Das Fett kann theo­re­tisch sowohl tie­ri­scher als auch pflanz­li­cher Her­kunft sein. Zer­ti­fi­zier­te Natur­kos­me­tik schließt die Ver­wen­dung von Roh­stof­fen vom toten Tier aus: Hier kann man sicher sein, dass aus­schließ­lich Pflanz­li­ches wie Kokos- oder Oli­ven­öl in den Sei­fen­bot­tich wan­dert. Beim soge­nann­ten Sei­fen­sie­den wird das Fett durch das Kochen mit Natron­lau­ge in Gly­ce­rin und Alka­li­sal­ze zer­legt. Die dadurch ent­stan­de­ne zähe Mas­se nennt man Sei­fen­leim. Durch die Zuga­be einer spe­zi­el­len Salz­lö­sung wer­den die fes­ten und flüs­si­gen Bestand­tei­le von­ein­an­der getrennt. Die an der Ober­flä­che schwim­men­den, fes­ten Bestand­tei­le wer­den abge­schöpft und mit Farb- und Duft­stof­fen ver­mischt — bei Natur­kos­me­tik kom­men logi­scher­wei­se nur natür­li­che Farb­stof­fe und äthe­ri­sche Öle in Fra­ge. Auch deko­ra­ti­ve Pflan­zen­stück­chen, oder Pee­ling­be­stand­tei­le kön­nen dann hin­zu­kom­men. Dann wird die Mas­se in Form gebracht und anschlie­ßend getrock­net: Vom ein­fa­chen Stück, das von einem lan­gen Strang abge­schnit­ten wird bis hin zu fan­ta­sie­vol­len For­men und Stem­peln ist dabei (fast) alles möglich.

 

 

Bioboom Ausgabe 103 — Das gute Stück — Plädoyer für die Seife

Selbst Sei­fen, die natür­lich wir­ken und hübsch auf­ge­macht sind, wie sie zum Bei­spiel auf Märk­ten ver­kauft wer­den, kön­nen syn­the­ti­sche Duft- und Farb­stof­fe, tie­ri­sche Fet­te oder Palm­öl ent­hal­ten — genau­es Hin­schau­en und Nach­fra­gen lohnt sich also.

 

 

Sei­fe: Basi­sches Basic

 

Seit Mit­te des 20. Jahr­hun­derts wur­de die tra­di­tio­nel­le Sei­fe, in gro­ßem Maß­stab von Dusch­gel, Flüs­sigs­ei­fe, Wasch­lo­tion und Co. ver­drängt, die als moder­ner und beque­mer emp­fun­den wur­den. Und über­haupt: Sei­fe sei nicht gut für die Haut, da sie den natür­li­chen ph-Wert der Haut ver­än­de­re, so lau­te­te ein wich­ti­ges Argu­ment. Sie sei des­halb aggres­siv und trock­ne die Haut aus. Was ist dran? Tat­säch­lich liegt der ph-Wert von Sei­fe bei cir­ca acht bis elf, das heißt, sie ist basisch. Der ph-Wert gesun­der Haut liegt bei 5,5 und damit im leicht sau­ren Bereich, nach dem Waschen mit Sei­fe sinkt er vor­über­ge­hend. Auf einer gesun­den Haut stellt sich der ph-Wert aber auch sehr schnell wie­der her. Man kann also wohl getrost davon aus­ge­hen, dass das Waschen mit einer Pflan­zen­öl­sei­fe ohne syn­the­ti­sche Duft‑, Farb- und Kon­ser­vie­rungs­stof­fe für die Haut nicht schlech­ter ist, als eine vol­le Dosis quietsch­bun­tes Dro-Markt-Dusch­gel mit sei­nem Ingre­di­en­zi­en-Cock­tail. Fun Fact: Säu­re-Basen-Balan­ce ist für vie­le Bio- und Naturkosmetikkund:innen ein ange­sag­tes The­ma, sogar »basi­sche Gesichts­rei­ni­gun­gen« und »basi­sche Dusch­ge­le« gibt es im Ange­bot — viel­leicht wür­de sich Sei­fe als »basi­sches Wasch­stück« bes­ser verkaufen?

 

Ein Stück Nachhaltigkeit

 

Klar, Flüs­sigs­ei­fe, Syn­dets und Dusch­ge­le sind ganz prak­tisch. Wäh­rend das letz­te biss­chen Sei­fe oft einen kläg­li­chen Anblick bie­tet, blei­ben die Fla­schen bis zum let­zen Trop­fen ansehn­lich. Es braucht kei­ne Extras wie Sei­fen­scha­len und es blei­ben kei­ne Spu­ren auf dem Wasch­be­cken. Doch: Die flüs­si­gen Rei­ni­gungs­pro­duk­te ver­lei­ten dazu, viel zu viel auf ein­mal zu benut­zen. Das ist weder nach­hal­tig noch gut für die Haut. Die Plas­tik­ver­pa­ckung belas­tet die Umwelt sowohl bei der Her­stel­lung als auch bei der Ent­sor­gung. Und: Dusch­gel und Co. ent­hal­ten zu einem nicht uner­heb­li­chen Pro­zent­satz Was­ser, ein Inhalts­stoff, der in der Kos­me­tik­bran­che intern auch lie­be­voll als »Pro­fi­tin« bezeich­net wird. Sei­fe ist dage­gen Pro­dukt pur und aus­ge­spro­chen spar­sam im Ver­brauch, beson­ders, wenn sie nach Gebrauch in einem Sei­fen­schäl­chen luf­tig lie­gen oder gar an einem Sei­fen­hal­ter hän­gen darf. Auch was die Ver­pa­ckung angeht, ist Sei­fe eine nach­hal­ti­ge­re Lösung: Sie kann ein­fach in Pap­pe oder Papier ver­packt wer­den, oft hat sie nur eine Ban­de­ro­le oder ist völ­lig unverpackt.

 

Natür­lich, Bio, fair

 

Beim Sei­fen­kauf gilt im übri­gen das Glei­che wie beim Lebens­mit­tel­ein­kauf: Augen auf und auf die Inhalts­stof­fe ach­ten. Denn die Qua­li­täts­un­ter­schie­de sind rie­sig: Kon­ven­tio­nel­le Sei­fen ent­hal­ten oft syn­the­ti­sche und/oder pro­ble­ma­ti­sche Inhalts­stof­fe. Selbst Sei­fen, die natür­lich wir­ken und hübsch auf­ge­macht sind, wie sie zum Bei­spiel auf Märk­ten ver­kauft wer­den, kön­nen künst­li­che Duft- und Farb­stof­fe, tie­ri­sche Fet­te oder Palm­öl ent­hal­ten — genau­es Hin­schau­en und Nach­fra­gen lohnt sich also. Oder gleich ab in den Bio-Laden und dort ins Natur­kos­me­tik-Regal grei­fen. Dort kann man sie fin­den: Die berühm­te Alep­po-Sei­fe mit Lor­beer­öl, Savon du Mar­seil­le, die klas­si­sche fran­zö­si­sche Oli­ven­öl­sei­fe, sogar afri­ka­ni­sche schwar­ze Sei­fe, auch vie­le Natur­kos­me­tik­mar­ken bie­ten zumin­dest ein klei­nes Sei­fen­sor­ti­ment. Dass die Qua­li­tät stimmt, dafür sor­gen aner­kann­te Natur­kos­me­tik­la­bel — oft wer­den die guten Stü­cke sogar aus Bio-Ölen und/oder fair gehan­del­ten Zuta­ten hergestellt.

 

Ein Kos­me­tik-Klas­si­ker der Mensch­heit, aus nur weni­gen, guten Zuta­ten her­zu­stel­len. Ganz pro­blem­los auch 100 Pro­zent vegan zu machen. Spar­sam im Ver-
brauch. Sanft schäu­mend und gut duf­tend. Und dazu noch weni­ger oder sogar gar kei­ne Ver­pa­ckung. Wir fin­den: Sei­fe, ins­be­son­de­re die aus dem Natur­kos­me­tik-Regal, hat einen stän­di­gen Ehren­platz im Bade­zim­mer verdient.

 

 

 


Mehr Sei­fe am Stück: Haar­sei­fe und fes­te Shampoos →


 

 

Die­ser Bei­trag erschien in Aus­ga­be 103 — Som­mer 2024

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