01_BBM_Web_Headerbild_1200x600px_Duenger

Kunst­dün­ger
Wachs­tums­stra­te­gie mit Folgen

Kunstdünger sorgt für schnelles Wachstum der Pflanzen und ist fester Bestandteil der konventionellen Landwirtschaft. Doch diese Wachstumsstrategie hat Schattenseiten. Der Bio-Anbau zeigt, dass es auch anders geht.
BBM 108 – Wachstumsstrategie mit Folgen
BBM 108 – Wachstumsstrategie mit Folgen

Siehe auch:

Siehe auch:

Kei­ne Pes­ti­zi­de und kein Kunst­dün­ger — das sind zwei Grund­pfei­ler des öko­lo­gi­schen Land­baus. Kein Gift auf das zu sprü­hen, was Lebens­mit­tel wer­den soll, das leuch­tet spon­tan ein. Aber was ist ver­kehrt am mine­ra­li­schen Dün­ger, auch Kunst­dün­ger genannt? Schließ­lich sol­len die Pflan­zen doch ordent­lich wach­sen? Um den Bio-Anbau zu ver­ste­hen, lohnt sich ein Blick nach unten. Unter unse­ren Füßen ist näm­lich so eini­ges los: In nur einem Tee­löf­fel Erde kön­nen sich bis zu einer Bil­li­on Orga­nis­men tum­meln — Bak­te­ri­en, Pil­ze, Wür­mer und Insek­ten, je mehr des­to bes­ser. Ein kom­ple­xes Öko­sys­tem, das selbst ein Lebens­raum ist und Pflan­zen wach­sen lässt. Syn­the­tisch her­ge­stell­te Dün­ger brin­gen die­ses aus­ge­klü­gel­te Öko­sys­tem aus dem Gleich­ge­wicht — mit Kon­se­quen­zen letzt­lich auch für uns.

 

180 Mil­lio­nen Ton­nen Kunstdünger

»Es gibt vie­le ver­schie­de­ne Arten von Kunst­dün­ger«, erläu­tert Sarah Syman­c­zik, Wis­sen­schaft­le­rin beim For­schungs­in­sti­tut für bio­lo­gi­schen Land­bau (FiBL). »Stick­stoff, Kali­um und Phos­phor sind dabei die gän­gigs­ten Sor­ten und kön­nen unter­ein­an­der kom­bi­niert wer­den.« Wenn es reg­net und die Kügel­chen mit Was­ser in Ver­bin­dung kom­men, lösen sie sich auf und ver­si­ckern im Boden. Die wachs­tums­för­dern­den Nähr­stof­fe ste­hen dann sofort für die Pflan­zen auf dem Feld bereit.

Die Grund­la­gen für die Ent­wick­lung des Kunst­dün­gers wur­den par­al­lel zur Indus­tria­li­sie­rung bereits im 19. Jahr­hun­dert gelegt. Damals gal­ten Kunst­dün­ger als Hoff­nungs­trä­ger und bis heu­te als unver­zicht­bar: »So gut wie alle Betrie­be, die nicht Bio sind, dün­gen mine­ra­lisch«, sagt Sarah Syman­c­zik. Im Wirt­schafts­jahr 2020/21 wur­den in Deutsch­land laut Sta­tis­ti­schem Bun­des­amt ins­ge­samt 1,27 Mil­lio­nen Ton­nen Stick­stoff­dün­ger, 0,19 Mil­lio­nen Ton­nen Phos­phat­dün­ger und 0,45 Mil­lio­nen Ton­nen Kali­dün­ger abge­setzt. Die welt­wei­te Nach­fra­ge nach mine­ra­li­schen Dün­ge­mit­teln belief sich im Jahr 2019 laut Jah­res­be­richt der Inter­na­tio­nal Fer­ti­li­zer Asso­cia­ti­on auf über 180 Mil­lio­nen Tonnen.

 

Kon­se­quen­zen für Boden­le­ben und Wasser

Doch das Wachs­tum hat sei­nen Preis: »Kunst­dün­ger ernährt die Pflan­zen, aber nicht den Boden. Orga­nis­men wie Pil­ze und Bak­te­ri­en, Insek­ten und Wür­mer ster­ben ab, die Bio­di­ver­si­tät im Boden nimmt ab«, sagt Syman­c­zik. Der ver­arm­te Boden wird anfäl­li­ger, kann zum Bei­spiel bei Stark­re­gen weni­ger Was­ser bin­den und und trock­net schnel­ler aus.

Ein wei­te­res Pro­blem: »Wenn viel Regen kommt, setzt sich auf ein­mal eine gro­ße Men­ge des Kunst­dün­gers im Boden frei«, sagt Syman­c­zik. »Die Pflan­zen kön­nen aber nur eine gewis­se Men­ge auf­neh­men.« Der über­schüs­si­ge Dün­ger gelangt über das Sicker­was­ser ins Grund­was­ser und damit in das Trink­was­ser. Gelan­gen die Stof­fe in Flüs­se und Seen, wer­den die­se über­düngt und kön­nen kip­pen. »Die Über­dün­gung der Gewäs­ser mit Phos­phor ist eines der größ­ten Pro­ble­me, weil es ein über­mä­ßi­ges Wachs­tum von Algen und Was­ser­pflan­zen aus­löst«, teilt das Umwelt­bun­des­amt auf sei­ner Web­site mit und for­dert eine Ver­än­de­rung der Düngepraxis.

BBM 108 – Wachstumsstrategie mit Folgen

End­lich, schäd­lich, aufwendig

Und bereits vor dem Aus­brin­gen auf dem Feld haben mine­ra­li­sche Dün­ger Kon­se­quen­zen für die Umwelt. So wer­den Kali­um und Phos­phor durch Säu­ren aus Gestein gewon­nen. Und: »Die Roh­stof­fe kom­men über­wie­gend aus Chi­na, Russ­land und Marok­ko. Sie sind end­lich und wer­den nicht ewig zur Ver­fü­gung ste­hen. Der Abbau ist ener­gie­auf­wen­dig und die betrof­fe­nen Gebie­te wer­den durch den Berg­bau zer­stört«, erklärt Symanczik.

Die Her­stel­lung des Grund­stoffs für syn­the­ti­schen Stick­stoff­dün­ger erfolgt bis heu­te im nach den Erfin­dern benann­ten Haber-Bosch-Ver­fah­ren, das bereits 1910 von BASF zum Patent ange­mel­det wur­de (die kon­ven­tio­nel­le Land­wirt­schaft ist von weni­gen gro­ßen Kon­zer­nen abhän­gig — aber das wür­de den Rah­men die­ses Arti­kels spren­gen). Das Haber-Bosch-Ver­fah­ren ist aus­ge­spro­chen ener­gie­auf­wen­dig und zum Ein­satz kom­men ganz über­wie­gend fos­si­le Ener­gien — ein Grund dafür, dass die Mine­ral­dün­ger­prei­se mit Beginn des Ukrai­ne-Kriegs explo­dier­ten. Und damit nicht genug: Wird der aus­ge­brach­te Stick­stoff im Boden abge­baut, wer­den gro­ße Men­gen Lach­gas frei­ge­setzt, ein Treib­haus­gas, das als etwa 300-mal kli­ma­schäd­li­cher gilt als CO2. Laut einer Stu­die der Uni­ver­si­ty of Cam­bridge aus dem Jahr 2023 ver­ur­sa­chen die Pro­duk­ti­on von syn­the­ti­schem Stick­stoff­dün­ger sowie die anschlie­ßen­de Frei­set­zung von Lach­gas jähr­lich über eine Mil­li­ar­de Ton­nen CO₂-Äqui­va­len­te — unge­fähr so viel wie der gesam­te inter­na­tio­na­le Flug­ver­kehr in einem Jahr.

 

Alter­na­ti­ve Wachstumsstrategien

Aber gibt es Alter­na­ti­ven? »In der öko­lo­gi­schen Land­wirt­schaft sind Kunst­dün­ger nicht erlaubt«, sagt Syman­c­zik. »Statt­des­sen kom­men orga­ni­sche Dün­ger zum Ein­satz.« Dazu zäh­len Gül­le und Mist, Horn­mehl, Feder­mehl oder Blut­mehl, aber auch Legu­mi­no­sen, also Hül­sen­frücht­ler wie Klee. Die Dün­gung in der öko­lo­gi­schen Land­wirt­schaft läuft somit in einem geschlos­se­nen Kreis­lauf ab und ist Teil eines umfas­sen­den Nähr­stoff­ma­nage­ments: Das, was auf die Fel­der kommt, wird in der Bio-Land­wirt­schaft ange­baut oder fällt als Abfall­pro­dukt an. So wach­sen Legu­mi­no­sen wie Klee als Teil der Furcht­fol­ge und wer­den anschlie­ßend in den Boden ein­ge­ar­bei­tet, Gül­le, Mist, Horn­mehl und Blut­mehl sind Abfäl­le aus der Tierhaltung.

Ein gro­ßer Plus­punkt von orga­ni­schen Dün­gern: Sie ernäh­ren nicht nur die Pflan­zen, son­dern kom­men auch dem Boden­le­ben zugu­te. Das Dün­ge­ma­te­ri­al wird von Pil­zen, Bak­te­ri­en, Asseln und Wür­mern gefres­sen und ver­daut. »Der Humus­auf­bau und die unter­ir­di­sche Bio­di­ver­si­tät wer­den geför­dert, dadurch wer­den Nähr­stof­fe bes­ser gespei­chert und der Boden kann sich rege­ne­rie­ren«, sagt Syman­cz­sik. Ein gesun­der Boden ist resi­li­en­ter gegen Kli­ma­ex­tre­me wie Tro­cken­heit oder star­ken Regen. Da kei­ne che­mi­schen Stof­fe zum Ein­satz kom­men, blei­ben die umlie­gen­den Gewäs­ser sau­ber. Auch Pflan­zen wis­sen einen gesun­den Boden zu schät­zen: Je nach ange­bau­ter Kul­tur und Regi­on las­sen sich laut Syman­c­zik ohne Kunst­dün­ger teil­wei­se fast die glei­chen Erträ­ge erzie­len wie im kon­ven­tio­nel­len Anbau.

BBM 108 – Wachstumsstrategie mit Folgen

Aus Pflan­zen für Pflanzen

Federn, Horn, Kno­chen­mehl? Für die wach­sen­de Zahl der vege­ta­risch bezie­hungs­wei­se vegan leben­den Men­schen eine schwie­ri­ge Alter­na­ti­ve. Die Landwirt:innen Sil­via und David Gei­er gehen des­halb noch einen Schritt wei­ter. Seit 2014 betrei­ben die bei­den den bio­zer­ti­fi­zier­ten Hof Wind­kind in der Nähe von Ber­lin. Auf etwas mehr als 50 Hekt­ar bau­en sie Wal­nüs­se, Hasel­nüs­se, Hafer, Buch­wei­zen, Lin­sen und ver­schie­de­ne Kräu­ter an, ihre Erzeug­nis­se ver­kau­fen sie online. »Wir ver­wen­den zur Dün­gung aus­schließ­lich Pflan­zen und orga­ni­sches Mate­ri­al. Dazu zäh­len Heu, Stroh, Kräu­ter, Blät­ter und Legu­mi­no­sen wie Klee«, erklärt David. »Auf tie­risch-orga­ni­sche Dün­ge­mit­tel wie Gül­le, Jau­che, Horn­mehl oder Blut­mehl ver­zich­ten wir.« So schlie­ßen die bei­den die Nähr­stoff­kreis­läu­fe, ohne sich auf die Tier­hal­tung zu stüt­zen. Der Groß­teil der ein­ge­setz­ten Dün­ge­mit­tel stammt dabei direkt vom Hof. Auf bio-vega­nen Dün­ger aus Bio-Klee und ‑Luzer­ne für die Erwerbs- und Hob­by­gärt­ne­rei setzt auch das säch­si­sche Start-up Klee­pura. »Mei­ner Mei­nung nach kön­nen mit guter und aus­ge­wo­ge­ner orga­ni­scher Dün­gung genau­so gute Wachs­tums­er­geb­nis­se erzielt wer­den wie mit Kunst­dün­ger«, sagt Simon Scheff­ler, einer der bei­den Grün­der. Das sieht Bio-Bau­er David Gei­er genau­so: »Wäh­rend die kon­ven­tio­nel­le Dün­gung in kur­zen Zeit­räu­men und an schnel­les Wachs­tum denkt, setzt der Öko­land­bau auf lan­ge Zyklen und nach­hal­ti­gen Anbau.«

Erfolg­rei­che Umstellung

Dass sich der Ver­zicht auf Kunst­dün­ger lang­fris­tig lohnt, bestä­ti­gen auch Ste­fa­nie und Peter Riegg vom Grad­hof Kösching. Die bei­den haben den Hof in Bay­ern 2020 über­nom­men und auf öko­lo­gi­schen Land­bau umge­stellt. Seit 2023 sind sie Bio­land-zer­ti­fi­ziert. »Die kon­ven­tio­nel­le Land­wirt­schaft beruht auf Sym­ptom­be­hand­lung«, fin­det Ste­fa­nie Riegg. »Die Pro­ble­me begin­nen beim syn­the­ti­schen Dün­ger. Die Pflan­zen wer­den in der Regel grö­ßer und ertrag­rei­cher, jedoch auch schwä­cher gegen­über Krank­hei­ten und Schäd­lin­gen. Die Spritz­mit­tel sol­len die­se Pro­ble­me dann lösen, bekämp­fen aber nur die Sym­pto­me.« Ein end­lo­ser Teu­fels­kreis. Des­halb dün­gen die bei­den heu­te mit Legu­mi­no­sen, Luzer­ne und Mist von ihren Pfer­den. Auf cir­ca 95 Hekt­ar baut die Fami­lie Win­ter­wei­zen, Din­kel, Mais, Win­ter­ha­fer, Som­mer­ha­fer, Soja und Erb­sen an. »Die Dün­gung umzu­stel­len war nicht das gro­ße The­ma. Die größ­te Her­aus­for­de­rung ist es, die kaput­ten Böden wie­der zu rege­ne­rie­ren. Dies zu bewerk­stel­li­gen kann Jahr­zehn­te in Anspruch neh­men«, so Ste­fa­nie Riegg. Bei den bei­den ging es etwas schnel­ler: Schon jetzt lobt sie ihre guten Böden und ist mit den Fel­d­er­trä­gen zufrieden.

Weni­ger Kunst­dün­ger durch bewuss­tes Einkaufen

Der Ver­zicht auf Kunst­dün­ger kommt dem Boden und der Umwelt eben­so zugu­te wie Landwirt:innen und Verbraucher:innen. »Das öko­lo­gi­sche Gärt­nern und die Bio-Land­wirt­schaft ver­su­chen einen nach­hal­ti­ge­ren und zukunfts­ori­en­tier­te­ren Umgang mit dem Boden, sowie der Flo­ra und Fau­na. Dadurch ist es aus mei­ner Sicht auch ein Ver­such eines etwas gerech­te­ren Wirt­schaf­tens, ins­be­son­de­re dann, wenn wir an die zukünf­ti­gen Gene­ra­tio­nen den­ken«, sagt Simon Scheffler.

Ob in Zukunft mehr land­wirt­schaft­li­che Betrie­be auf den Ein­satz von Kunst­dün­ger ver­zich­ten, hängt neben den poli­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen vor allem von unse­ren Kauf­ent­schei­dun­gen ab. »Bei den Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­chern im Super­markt muss ein Bewusst­sein ent­ste­hen«, sagt David Gei­er vom Hof Wind­kind. »Wer­den Bio-Lebens­mit­tel gekauft und nach­ge­fragt, wer­den mehr Betrie­be auf Bio umstel­len. Dann nimmt auch der Ein­satz von Kunst­dün­ger mit­samt sei­nen ver­hee­ren­den Aus­wir­kun­gen ab.«

 

 

 

 


Lese­emp­feh­lung zum The­ma: Augen auf und durch → War­um die Welt dich braucht


 

 

→ Kat­rin Brahner

 

Die­ser Bei­trag erschien in Aus­ga­be 108 — Herbst 2025

BBM 108 – Herbstausgabe

Weiterlesen

Das könnte dir auch gefallen
Bioboom Thema Agroforstwirtschaft Titelbild
Hintergrund

Agro­forst­wirt­schaft
Wo sich Feld und Wald treffen

Agro­forst­wirt­schaft kom­bi­niert Acker­bau und/oder Tier­hal­tung mit Bäu­men und Sträu­chern. Ange­sichts der Kli­ma­ka­ta­stro­phe sowie des Ver­lusts von Arten­viel­falt und frucht­ba­ren Böden bie­tet das Kon­zept eine Alter­na­ti­ve zur indus­tri­el­len Land­wirt­schaft. Das passt zu Bio. Wir stel­len das Modell vor und fra­gen nach der Perspektive.

Bioboom Frühjahrsausgabe 2023 Titelthema Die Alten Wilden
Hintergrund

Wie Bio begann
Die alten Wilden

In den 1970er Jah­ren ent­stand die Bio-Bran­che. Sie ­for­mier­te sich aus jun­gen Men­schen, die gro­ße Idea­le ­hat­ten und anders ­leben woll­ten als der Main­stream. Heu­te geht es für die Bio-­Pionier:innen von damals in ­Rich­tung Ruhe­stand. Die Pro­ble­me, die sie lösen woll­ten sind lei­der immer ­noch aktu­ell. Die Idea­le, ­die sie moti­vier­ten, glück­li­cher­wei­se ebenfalls. 

Bioboom Sommerausgabe 2023 – Titelbild zum Thema Pestizide
Hintergrund

Pes­ti­zi­de
Pflan­zen schüt­zen, Welt vergiften?

Pes­ti­zi­de ver­brei­ten sich groß­flä­chig in der Umwelt. Der Bio-Land­bau zeigt, dass es auch anders geht. Aber aus­ge­rech­net Öko-Betrie­be haben unter den Fol­gen des Ein­sat­zes in der kon­ven­tio­nel­len Land­wirt­schaft zu lei­den. Und über­haupt: Pes­ti­zi­de, oder wie sie die Agrar­in­dus­trie schön­fär­bend nennt »Pflan­zen­schutz­mit­tel«, sol­len Ern­ten und Ernäh­rungs­si­cher­heit für alle sichern. 

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner