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Joghurt
Wenn Milch so rich­tig sau­er wird

Wenn Bakterien in Milch ihr Verwandlungswerk beginnen, dann wird sie sauer. Und damit beginnt eine völlig neue Geschichte, beziehungsweise Lebensmittelgattung: Die von Joghurt, ­Kefir, Schwedenmilch und Co.
Bioboom Warenkunde Joghurt Titelbild
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Das belieb­tes­te Sauer­milch­pro­dukt hier­zu­lan­de dürf­te Joghurt sein, ein Pro­dukt, das übri­gens nicht nur kuli­na­risch, son­dern auch sprach­lich fle­xi­bel ist, sei es in der Schreib­wei­se oder beim gram­ma­ti­ka­li­schen Geschlecht: Jogurt oder Joghurt: bei­de Schreib­wei­sen sind ortho­gra­phisch kor­rekt, alle Arti­kel – der, die, das – sind möglich.
 
Das Wort Joghurt hat sei­nen Ursprung in der Spra­che des indo­ger­ma­ni­schen Volks­stam­mes der Thra­ker, die als Urbe­völ­ke­rung auf der Bal­kan­halb­in­sel gel­ten. Aber auch das tür­ki­sche Wort »yoğurt« bedeu­tet »dicke oder dick­ge­leg­te Milch« und ver­weist damit auf die Her­stel­lung. Wann die­se zuerst begann, ist bis heu­te unklar. Als Ursprungs­kul­tu­ren gel­ten die noma­di­schen Turk­völ­ker Zen­tral­asi­ens, aber auch die Thra­ker wer­den mit der Kunst der Joghurt­her­stel­lung in Ver­bin­dung gebracht. Nach­weis­lich tru­gen sie einen läng­li­chen Sack aus Lamm­fell gefüllt mit Schafs­milch um den Gür­tel. Durch die Kör­per­tem­pe­ra­tur und die spe­zi­el­len Bak­te­ri­en im Lamm­sack kam es zur Milchsäuregärung.
 
 

Bak­te­ri­en als Verwandlungskünstlerinnen

 
Milch­säu­re­bak­te­ri­en kom­men ­vie­ler­orts in der Natur vor, unter ande­rem eben in Milch oder auch im Ver­dau­ungs­trakt des mensch­li­chen Orga­nis­mus. Damit sie aktiv wer­den, also Milch­zu­cker (Lak­to­se) in Milch­säu­re umwan­deln, brau­chen sie mil­de Umge­bungs­tem­pe­ra­tu­ren um die 20 Grad Cel­si­us (des­halb die Schaf­fell­sä­cke der Thra­ker). Wäh­rend Joghurt schon seit Jahr­hun­der­ten her­ge­stellt wur­de, ent­deck­te Lou­is Pas­teur erst 1856 die Milch­säu­re­bak­te­ri­en und ent­wi­ckel­te das Grund­ver­ständ­nis für die Milchsäuregärung.
 
 

Milch­fett sorgt für Cremigkeit

 
Voll­milch­jo­ghurt ent­hält zwi­schen 3,5 und 4 Pro­zent Fett, die fett­re­du­zier­te Vari­an­te nur 1,5 Pro­zent. Der Hin­weis »cre­mig« ver­weist dar­auf, dass der Joghurt im Nach­hin­ein auf­ge­rührt wur­de. Manch­mal steht »mild« dabei. Gemeint ist hier, dass der ­Joghurt weni­ger säu­er­lich schmeckt – bei­des kommt dem Geschmack der Verbraucher:innen hier­zu­lan­de ent­ge­gen. Ob ein Joghurt mild oder säu­er­lich schmeckt, das regeln die unter­schied­li­chen Milch­säu­re­bak­te­ri­en. Der Begriff »Joghurt mild« ist sogar recht­lich gere­gelt: Der Joghurt muss dann spe­zi­el­le Bak­te­ri­en­kul­tu­ren ent­hal­ten, damit er nicht so sau­er ist wie bei­spiels­wei­se durch den Lac­to­ba­c­il­lus bul­ga­ri­cus. »Grie­chi­scher Joghurt« hat meist 10 Pro­zent Fett­an­teil und muss aus Grie­chen­land stam­men, kommt er aus Deutsch­land, schmeckt er auch lecker und sah­nig, darf sich aber nur »nach grie­chi­scher Art« nennen.
 
 
Bioboom Warenkunde Joghurt und Konsorten
 

Bes­ser Bio: Ohne Gen­tech­nik und mit mehr Tierwohl

 
Geschmack und kon­se­quen­te Natür­lich­keit sind gute Argu­men­te, auch bei Joghurt zu Bio zu grei­fen, eben­so das gute Gefühl, dass kei­ne Gen­tech­nik ein­ge­setzt wur­de. Min­des­tens genau­so wich­tig ist den meis­ten Bio-Kund:innen der Aspekt des Tier­wohls: Die Bio-Zer­ti­fi­zie­rung schreibt wesent­lich bes­se­re Stan­dards für Kühe und Käl­ber fest. Grund­sätz­lich muss Bio-Joghurt aus Bio-zer­ti­fi­zier­ter Milch her­ge­stellt sein. Öko­lo­gisch gehal­te­ne Kühe bekom­men mehr Grün­fut­ter (das wie­der­um kommt der Qua­li­tät der Milch zugu­te). Auch die Stan­dards für Aus­lauf, Bewe­gungs­frei­heit usw. sind für die öko­lo­gi­sche Tier­hal­tung bes­ser. Die Anfor­de­run­gen von öko­lo­gi­schen Anbau­ver­bän­den wie Bio­land, Deme­ter und Natur­land gehen dabei jeweils in bestimm­ten Punk­ten noch über die Min­dest­an­for­de­run­gen der EU-Bio­ver­ord­nung hinaus.
 
Das Her­stel­lungs­ver­fah­ren ist bei kon­ven­tio­nel­len und öko­lo­gi­schen Joghurts   grund­sätz­lich das glei­che, fei­ne Unter­schie­de gibt es den­noch: Grund­prin­zip der öko­lo­gi­schen Lebens­mit­tel­ver­ar­bei­tung ist es, dass auch ver­ar­bei­te­te Lebens­mit­tel so natür­lich wie mög­lich sein sol­len. So ist es nur logisch, dass die Öko-Anbau­ver­bän­de die Nut­zung eini­ger Ver­fah­ren ein­schrän­ken. So dür­fen nach Deme­ter-Richt­li­ni­en Erhit­zungs­ver­fah­ren wie Ste­ri­li­sa­ti­on und ­Ultra­hoch­er­hit­zung (UTH) nicht durch­ge­führt werden.
 
 

Joghurt mit Frucht und Co.

 
Wäh­rend in kon­ven­tio­nel­len Lebens­mit­teln in der EU über 300 Zusatz­stof­fe erlaubt sind, sind es bei Bio-Lebens­mit­teln nur 50. Bei Bio-Joghurt ist das vor allem rele­vant, wenn es um die all­seits belieb­ten süßen Joghurts mit Frucht‑, Nuss‑, Müs­li- und sons­ti­gen Zube­rei­tun­gen geht: Des­halb kann man sich bei Bio dar­auf ver­las­sen, dass künst­li­che bezie­hungs­wei­se »natür­li­che« Aro­men eben­so außen vor blei­ben, wie bestimm­te Sta­bi­li­sa­to­ren. Ihr könnt Euch also sicher sein: Wo Bio-Erd­beer­jo­ghurt drauf­steht, sind auch Erd­bee­ren drin. Neben den Klas­si­kern wie Erd­bee­re und Hei­del­bee­re fin­det Ihr im Bio-Regal übri­gens auch jede Men­ge lecke­re Krea­tio­nen, oft als Sai­son-Edi­tio­nen. Gesüßt wer­den die Pro­duk­te in der Regel mit Zucker, ent­we­der Rohr­zu­cker, immer häu­fi­ger auch Rüben­zu­cker, der in Deutsch­land erzeugt wer­den kann. Wer sich zucker­arm ernäh­ren möch­te, schaut genau­er aufs Eti­kett – oder mischt zuhau­se selbst.
 
 

Die Halt­bar­keit: Was lan­ge steht, bleibt oft noch gut

 
Gesäu­er­te Milch­er­zeug­nis­se sind deut­lich län­ger halt­bar als Frisch­milch. Trotz­dem sol­len sie im Kühl­schrank auf­be­wahrt wer­den. Miss­trau­en ist gebo­ten, wenn sich bei Joghurt­be­chern der Deckel wölbt (Kefir darf das. Bei ihm ent­steht durch das Nach­rei­fen wei­ter­hin Koh­len­säu­re, die den Bech­erde­ckel nach oben drückt). Wie bei ande­ren Lebens­mit­teln gilt grund­sätz­lich auch beim Joghurt: Das Min­dest­halt­bar­keits-Datum ist kein Weg­werf­da­tum. Sieht gut aus, riecht gut, schmeckt gut? Dann ist das Pro­dukt noch gut genießbar.
 
Bioboom Warenkunde Joghurt und Konsorten
 
 

Pflanz­li­che Joghur­tal­ter­na­ti­ven: Bio hat die Nase vorn

 
Milch­pro­duk­te wie Joghurt und Kon­sor­ten sind wert­vol­le und wich­ti­ge Lebens­mit­tel, auch wenn die Milch bei vie­len Men­schen in Miss­kre­dit gera­ten ist und ihr Kon­sum in Deutsch­land ste­tig abnimmt. Auch vegan leben­de Men­schen müs­sen selbst­ver­ständ­lich nicht auf den säu­er­li­chen Genuss ver­zich­ten. Die Aus­wahl an milch­frei­en Joghurt-Alter­na­ti­ven wächst ste­tig. Am gän­gigs­ten ist »Pflan­zen­jo­ghurt« auf Soja­ba­sis, aber auch Hafer‑, Kokos- oder Man­del­al­ter­na­ti­ven erfreu­en sich gro­ßer Beliebt­heit. Aller­dings: Wie bei Milch- und Flei­sch­al­ter­na­ti­ven gilt auch hier, dass der pflanz­li­che Joghurt nicht so genannt wer­den darf. Des­halb erhal­ten die Joghur­tal­ter­na­ti­ven meist einen net­ten Fan­ta­sie­na­men. Die Zuta­ten für »Pflan­zen­jo­ghurt« stam­men direkt vom Acker – also lohnt es sich auch hier natür­lich, auf Bio-Qua­li­tät zu ach­ten, für Joghur­tal­ter­na­ti­ven mit Frucht und Co. gilt das Glei­che wie für tie­ri­schen Joghurt. Übri­gens: Bio hat hier klar die Nase vorn – zwei Drit­tel der in Deutsch­land ver­kauf­ten Milch­er­satz­pro­duk­te haben Bio-Qualität.
 
 

Ande­re Aus­gangs­ba­sis, glei­ches Verfahren

 
Die Basis für pflanz­li­che Joghur­tal­ter­na­ti­ven sind jeweils pflanz­li­che Milch­al­ter­na­ti­ven. Ganz ähn­lich wie bei »nor­ma­lem« Joghurt kom­men die ent­spre­chen­den Milch­säu­re­bak­te­ri­en zum Ein­satz, die den Fer­men­tie­rungs­pro­zess in Gang set­zen. Milch­säu­re­bak­te­ri­en müs­sen übri­gens nichts mit Milch zu tun haben – auch die Milch­säu­re­gä­rung in Sauer­kraut, Kim­chi und Co. ist voll­stän­dig vegan. Wer ganz sicher sein will, fragt beim her­stel­len­den Unter­neh­men nach, wo die ein­ge­setz­ten Joghurtkul­tu­ren herstammen.
 
 

→ Susan­ne Salzgeber

Die­ser Bei­trag erschien in Aus­ga­be 96 — Herbst 2022

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