An den ersten warmen Tagen bilden sich direkt die Schlangen vor den frisch eröffneten Eisdielen. Dekorative Berge türmen sich auf, mit Früchten und Schoko, knallgrünes Waldmeistereis konkurriert mit pinker Himbeere um die Aufmerksamkeit. Das ist nicht jedermanns oder jederfraus Sache, denn viele der so handgemacht wirkenden Sorten werden auf Basis vorgefertigter Mischungen hergestellt und enthalten jede Menge Farbstoffe (offensichtlich) und Zusatzstoffe (weniger offensichtlich). Bio-Eismanufakturen und vegane Eisdielen finden sich eher selten und wenn, dann eher in den Szenevierteln deutscher Großstädte.
Meistens zuhause
Aber das Gros des Eiskonsums der Deutschen findet gar nicht auf der Straße oder im Eiscafé statt, sondern zu Hause: Ein Trend, der sich im letzten Jahr verständlicherweise verstärkte. Stattliche acht Liter Speiseeis – das entspricht rund 114 Kugeln – hat jede:r von uns 2020, statistisch betrachtet, konsumiert, teilt der Eis Info Service der deutschen Markeneishersteller (E.I.S.) mit. Das Gros davon entfällt auf die so genannten »Haushaltspackungen«, also das Eis in der Tiefkühltheke, und Multipackungen, die mehrere Portionen enthalten.
Antikes Eis: Aus den Bergen
Ganz schön praktisch, oder? So bequem ging das mit dem Eisgenuss nicht immer. Dennoch ist die leckere Süßigkeit offensichtlich so verlockend, dass es bereits im antiken China und Griechenland Speiseeis gab – da es logischerweise keine Eismaschinen gab, wurde das Eis von schneebedeckten Gebirgsgipfeln geholt und war ein Privileg der Oberschicht. 1799 eröffnete in Hamburg die erste Eisdiele im Alsterpavillon.
Noch bis ins späte 19. Jahrhundert wurde Eis aus Stangeneis aus dem Winter, das in Eiskellern gelagert wurde, und Kältemischungen zum Beispiel mit Kochsalz hergestellt. Erst die Erfindung der Kältemaschine durch Carl von Linde brachte den Durchbruch für die industrielle Speiseeisproduktion, die in Deutschland 1925 begann.
Klassiker dominieren
Mittlerweile konkurrieren hunderte von Eissorten um die Gunst der Verbraucher-:innen, jedes Jahr kommen neue hinzu. Von anglo-amerikanischen Varianten wie Cookie Dough oder Salted Caramel, bis zu trendigen Kompositionen wie »Goldene Milch« oder schwarzem Eis mit Aktivkohle (unseres Wissens – zum Glück? – noch nicht in Deutschland erhältlich). Appetitlicher klingen für uns Bio-Rezepte mit Basilikum, Kürbiskernöl oder Datteln. Kurios: Allen Trends und spannenden Produktentwicklungen zum Trotz werden die ersten Plätze in der Lieblingseis-Statistik seit Jahren von den Klassikern belegt: Vanille, Schokolade, Stracciatella und Erdbeere sind laut Uniteis, der Union der italienischen Speiseeishersteller, auch 2020 unangefochten die beliebtesten Sorten in Deutschland.
Schöner Schein kontra luftige Wahrheit
Aber was steckt eigentlich drin im Eis, was macht ein gutes Speiseeis aus? Das kommt ganz auf die Sorte an. Grundsätzlich besteht ein klassisches, handwerklich hergestelltes Eis aus wenigen, natürlichen Zutaten: Milch und Sahne, frischen Früchten, Eiern, Nüssen, Schokolade, Gewürzen wie Vanille … Die Realität sieht – gerade bei den konventionellen Haushaltspackungen aus der Tiefkühltheke – oft anders aus, wie das Verbrauchermagazin Öko-Test bereits vor zwei Jahren in einem Vanille-Eis-Test bemängelte. Da wird Milch beziehungsweise Milchfett durch Pflanzenfett ersetzt. Nicht, weil pflanzlich besser für uns wäre, nein, weil es einfach billiger ist. Hinzu kommen Zusatzstoffe wie »Mono- und Digliceride von Speisefettsäuren« (TK).
Auch beim Geschmack wird gerne nachgeholfen: Ein bisschen echte Vanille und viel Vanillin, ein bisschen Erdbeere plus »natürliches Aroma«. Besonders beliebt ist auch eine Zutat, die durchaus lebenswichtig und gesund ist, die wir aber nicht unbedingt mit dem Eis zu uns nehmen müssen: Luft. Schön luftig aufgeschlagen wird das Eis nämlich cremiger, schnell werden aus 500 ml Eis 1000 ml. Kann man machen, ungünstig für die Verbraucher:innen wird es allerdings, wenn Fett‑, Zucker- und Kaloriengehalt dann per 100 ml und nicht per 100 g angeben werden. So wirkt nämlich so manches Eis viel weniger gehaltvoll, als es ist. Das Gleiche gilt, wenn der Preis nach Milliliter berechnet wird und wir die Luft sozusagen mitbezahlen.
Genau hinschauen
Das deutsche Lebensmittelrecht soll es den Kund:innen eigentlich ermöglichen, Qualität (oder deren Abwesenheit) zu erkennen. So muss Milcheis mindestens 70 Prozent Milch enthalten, bei Sahneeis müssen 18 Prozent Milchfett drin stecken. Eine Eiscreme muss immerhin noch mit 10 Prozent Milchfett aufwarten. Wird das Ganze, und sei es nur zum Teil, mit Pflanzenfett hergestellt, dann heißt es schlicht und einfach »Eis«. Hättet Ihr’s gewusst? Beim Fruchteis funktioniert es entsprechend: Hier gelten Mindestfruchtgehalte, es kann mit Milch- oder Pflanzenfett zubereitet werden. Steht auf der Packung »mit Erdbeergeschmack«, dürft Ihr sicher sein, dass das Eis so gut wie erdbeerfrei ist und auf Aromen setzt.
Bio-Eis punktet
Angesichts dieser Gemengelage ist es kein Wunder, dass das Angebot an Bio-Eis in Bio-Märkten stetig wächst. Wie so häufig gilt hier: Kürzere Zutatenliste, bessere Qualität. Die Milch stammt von Bio-Höfen, es gibt sogar Eis mit Heumilch oder mit Ziegenmilch (die ist nicht nur eine Alternative für Kuhmilch-Unverträglichkeit sondern ergibt ein schön cremiges Eis). Ebenso aus Bio-Anbau stammen Früchte, Nüsse, Schokolade und natürlich auch Eier, Zucker und andere natürliche Süßmacher wie zum Beispiel Agavendicksaft. Für eine ansprechende Farbe sorgen, wo nötig, ebenfalls natürliche Zutaten, wie zum Beispiel Rote Bete.
Etliche Marken können zusätzlich zum Bio-Siegel auch noch mit einer Bioland- oder Demeter-Zertifizierung punkten. Die Bio-Eistruhe bietet nicht nur Marken »von hier«, die, je nachdem, wo Ihr einkauft, unter Umständen sogar regionales Eis bieten. Für Sortenvielfalt und Abwechslung sorgen auch niederländische oder finnische Marken.
Veganes Eis im Kommen
Und was ist mit der wachsenden Zahl der Menschen, die auch beim Eis auf rein pflanzlich setzen? Gute Nachricht: Leckeres Eis geht selbstverständlich auch vegan. Und die Auswahl im Bio-Markt kann sich sehen lassen. Interessant sind hier vor allem die Milcheis-Alternativen, denn Sorbets sind ja sozusagen von Natur aus vegan. Statt tierischer Milch kommen in den pflanzlichen Varianten je nach Hersteller Soja, Mandel, Hafer, Kokos oder Cashew zum Einsatz, Pflanzenfette haben hier ihre volle Berechtigung. Oft können die Sorten auch mit alternativen Süßungsmitteln wie Datteln oder Agavensirup punkten. Neben den Klassikern Vanille, Schokolade und Erdbeere gibt es auch für Veganer:innen eine immer größere Auswahl von trendigen Sorten.
Optimaler Eisgenuss
Damit Euer Eis zuhause richtig gut schmeckt, noch ein paar praktische Tipps: Am besten legt Ihr das Eis erst zum Schluss in den Einkaufswagen und packt es für den Transport nach Hause in eine Kühltasche. Zuhause sollte es dann direkt wieder tiefgekühlt werden. Vor dem Verzehr sollte es dagegen fünf bis zehn Minuten bei Zimmertemperatur verbringen dürfen. Dann entfaltet es seinen vollen Geschmack und beim Portionieren verbiegen auch keine Löffel. Und falls etwas übrigbleiben sollte: Direkt wieder zurück in die Kälte packen. Lasst es euch schmecken!
Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 91 — Sommer 2021