»Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen.«
Dein neues Buch »Günstig gut einkaufen« hat den Untertitel »Preiswert, gesund und nachhaltig essen«. Ich könnte mir vorstellen, dass es Menschen gibt, die da gleich sagen: Ach, das geht doch gar nicht zusammen.
Ja, das kenne ich, solche Gespräche führe ich immer wieder. Wenn man zusammensitzt und es kommt auf das Thema Bio, dann ist der erste Satz direkt: Das ist doch so teuer, also, ich kann mir das nicht leisten. Dabei muss eine gesunde Ernährung — inklusive Bio-Produkte — nicht zwangsläufig teurer sein. Manchmal habe ich in solchen Gesprächen sogar das Gefühl, dass ich mich jetzt dafür rechtfertigen soll, dass ich dafür soviel Geld ausgebe … muss ich aber gar nicht. Es gibt ein paar ganz einfache Stellschrauben: Mehr Pflanzliches in jeglicher Form und weniger Fleisch, mehr selber machen, weniger Fertiggerichte und auf hochverarbeitete Lebensmittel verzichten, mehr Tee und Wasser, weniger Limo …
Hmm, ich stelle allerdings fest, dass Menschen auf diese Art von Tipp doch sehr gereizt reagieren, das Gefühl haben, man will ihnen etwas wegnehmen, sie belehren. Ich erinnere nur an den Sturm der Entrüstung, der losbrach, als diskutiert wurde, ob es in Kantinen eventuell einen — einzigen! — fleischfreien Tag in der Woche geben könnte. Wie erlebst Du das?
Es geht ja nicht darum, mit dem erhobenen Zeigefinger zu fuchteln. Mir ist in solchen Gesprächen wichtig, dass es mir nicht um Verzicht geht, sondern ums anders machen. Wenn ich weniger von einer Sache habe, zum Beispiel weniger Fleisch esse, dann heißt dass, das ich neue, pflanzliche Lebensmittel entdecken kann und damit neuen Genuss kennenlerne. Regional und saisonal kaufen — das klingt einschränkend. Aber praktisch heißt das doch: Wenn ich auf Erdbeeren im März »verzichte« und sie dann kaufe, wenn sie richtig schön reif vom Feld in meiner Nähe kommen, dann gewinne ich ungemein an Geschmack — und spare nebenbei noch Geld.
Annette Sabersky
Jetzt mal ganz konkret: Wenn ich jetzt denke, so, wie ich esse und koche, da ist in Sachen Nachhaltigkeit vielleicht noch Luft nach oben, womit fange ich an?
Gegenfrage: Womit fange ich an, wenn ich mehr Bio essen will, oder womit fange ich an, wenn ich generell in der Küche nachhaltiger wirtschaften will?
Na, beides natürlich! Wobei unsere Leser:innen in der Regel keine Bio-Anfänger:innen sind, aber vielleicht zum Weitersagen, weil sie bestimmt auch in diese Art von Gesprächen verwickelt werden …
Am einfachsten ist es, bei ein paar Basics konventionelle Produkte durch Bio zu ersetzen. Man kann zum Beispiel sagen, Kartoffeln, Äpfel und Möhren kaufe ich zukünftig nur noch Bio. Das Gute daran: Das macht den Einkauf noch nicht mal unbedingt teurer, die gibt es immer zu konkurrenzfähigen Preisen. Dann kann man vielleicht noch Müsli hinzunehmen, mal ausprobieren, wie Bio-Haferdrink schmeckt — oft entwickelt das dann eine Eigendynamik und man entdeckt immer mehr.
Was die zweite Frage angeht, ist mein Tipp Nummer eins: Eine gute Planung sorgt eigentlich automatisch dafür, dass nachhaltiger gekocht und gegessen wird. Das heißt, ich überlege einmal in der Woche, was ich wann essen möchte. Dabei kann man auch gleich gucken, gibt es Tage an denen ich Besuch habe, selber zum Essen eingeladen bin oder unterwegs bin. Dann mache ich eine entsprechende Einkaufsliste. Es ist sinnvoll, einen Vorrat an bestimmten Dingen zu haben, die man Immer wieder braucht, zum Beispiel Nudeln, Reis oder passierte Tomaten. Wenn man weiß, was man essen möchte und die Sachen im Haus hat, kommt man nicht so einfach in Versuchung, auf die Schnelle überteuert im nächstbesten Supermarkt einzukaufen oder spontan beim Bringdienst zu bestellen. Das spart Geld. Und man spart Zeit, weil man seltener einkaufen gehen muss.
Apropos Zeit: Einkaufen und Kochen gehören zur sogenannten Care-Arbeit und die ist immer noch überwiegend Frauensache. Wenn eine Familie deine Tipps umsetzen will, dann heißt das ja auch, zukünftig mehr selber zu machen. Was kann man tun, damit das nicht an einer Person hängen bleibt?
Gemeinsam planen! Was gegessen wird, was eingekauft wird … wenn alle mitreden dürfen, hat das auch den Vorteil, dass automatisch weniger über das Essen gemeckert wird. Vielleicht kann das Kochen auch aufgeteilt werden, sodass jeder mal zuständig ist. Bei uns haben meine Kinder schon ziemlich jung angefangen, jeden Freitag zu kochen. Da gab es dann öfters Nudeln und Tomatensoße, aber das ist doch völlig okay. Oder eine Person kocht, die anderen schnippeln das Gemüse usw. Gemeinsam zu kochen, das ist für mich eine gute Art, Zeit mit anderen zu verbringen.
Du hast bei der Recherche für Dein Buch festgestellt, dass Bio-Produkte im Bio-Laden gar nicht unbedingt teurer sein müssen als im Supermarkt.
Ja, das finde ich sehr spannend, gerade weil die meisten Menschen ja denken, im Bio-Laden wäre alles so furchtbar teuer. Aber es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Gerade unverarbeitete Produkte wie Gemüse kosten im Bio-Markt oft weniger als im Supermarkt. Discounter haben zwar oft unglaublich niedrige Angebotspreise für Bio. Da frage ich mich dann, ist das noch preiswert, im Sinne von: ist das Produkt seinen ›Preis wert‹ im Sinne von gut und angemessen, oder ist es einfach nur billig auf Kosten der Erzeugerinnen und Erzeuger?
Um gut und günstig einzukaufen, setzen viele gerne auf Angebote und Aktionen, es gibt ja auch Apps, die das leisten. Was hältst Du davon?
Ich finde das zwiespältig. Auf der einen Seite ist es praktisch, einfach zu sehen, was es wo gerade am günstigsten gibt. Aber wenn ich dann am Ende mit dem Auto losfahre und etliche Märkte abklappere, um überall zwei, drei Angebote zu kaufen, dann frisst der Sprit- und Zeitverbrauch die paar gesparten Euros natürlich direkt auf. Außerdem bezahle ich den Service dieser Apps natürlich, auch wenn sie kostenlos sind: Nämlich mit meinen persönlichen Daten. Ich möchte keine gläserne Kundin sein.
Wie hältst Du es dann mit dem Einkaufen? Was ist deine Routine?
Also, ich schaue, dass ich möglichst nur so einmal in der Woche einkaufen gehe, da kommt wieder das Thema Planung ins Spiel. Und weil ich, wie gesagt, keine Lust habe, so viele verschiedene Einkaufsstellen anzusteuern, kaufe ich in einem Bio-Laden in der Nähe ein, der ein generell gutes Preis-Leistungsverhältnis anbietet. Da gibt es schon Unterschiede, und es lohnt sich, zu gucken. Aber wenn ich weiß, in einem Markt stimmt das Preisniveau grundsätzlich und es gibt zusätzlich Angebote, dann kann ich es auch verschmerzen, wenn ein Artikel mal 25 Cent teurer ist. Die spare ich dann an anderer Stelle wieder, wenn ein Artikel günstiger ist. Und natürlich kaufe ich auch auf dem Wochenmarkt oder mal im Supermarkt ein.
Lebensmittel fressen aktuell deutlich mehr Budget als noch vor zwei Jahren. Während der Corona-Pandemie waren Essen und Kochen zwei der wenigen Aktivitäten, die noch möglich waren, dafür hat man gerne mehr Geld ausgegeben. Als das vorbei war, gab es wieder mehr Möglichkeiten, das Geld anderweitig auszugeben, zum Beispiel für Reisen. Viele Bio-Käufer:innen gehören zum Mittelstand, sie haben die Möglichkeit, Prioritäten zu setzen, wie sie ihr Geld ausgeben. Für andere Haushalte wieder ist es aber wirklich eng, sie müssen schauen, wie sie jeden Monat hinkommen. Was sie wirklich nicht brauchen, ist, dass ihnen dann noch das Gefühl vermittelt wird, sie müssten das jetzt trotzdem alles Bio und nachhaltig hinkriegen, sonst machten sie etwas falsch.
Oh ja. Da muss ich spontan an das Buch »Arm aber Bio!« denken. Es ist schon etwas älter, von 2009, geschrieben hat es die Journalistin Rosa Wolf. Sie hat damals im Selbstversuch ausprobiert, sich einen Monat von den damals 4,35 Euro pro Tag, die Hartz IV für Essen vorsah, 100 Prozent Bio zu ernähren. Sie hat es geschafft. Aber sie hat auch eindrücklich beschrieben, wie schwer es war — und dass es oft einfach keinen Spaß gemacht hat. Ein bisschen kenne ich das aus eigener Perspektive: Ich hatte als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern auch jahrelang wenig Geld zur Verfügung. Ich bin gelegentlich Kompromisse eingegangen und ich stehe dazu. Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen. Es geht darum, sich in kleinen Schritten in Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen, hie und da etwas zu verändern, wie es für die eigene Situation am besten passt. Es soll keine Askese sein, sondern das Leben bereichern, es genussvoller und einfacher machen.
Was ist Dein einfachster Einkaufstipp?
Kurz vor Schluss auf den Wochenmarkt gehen. Vorzugsweise, wenn er an einem Samstag stattfindet. Da kann man oft unglaublich günstig regionales und saisonales Obst und Gemüse bekommen, das am Montag nicht mehr verkauft werden könnte. Ich kaufe dann oft größere Mengen und friere sie ein, um sie später zu verarbeiten.
Wir haben jetzt viel über ganz praktische Dinge geredet, die man im Alltag machen kann, um günstig und nachhaltig zu essen. Bestimmte Faktoren können wir aber gar nicht beeinflussen, das wäre Sache der Politik. Was würdest Du in Sachen Ernährungspolitik sofort ändern, wenn Du entscheiden könntest?
Ich würde die Mehrwertsteuersätze für Lebensmittel ändern. Ich finde, es ist ein Unding, dass nach wie vor auf Kuhmilch sieben Prozent Mehrwertsteuer erhoben werden und auf pflanzliche Milchalternativen 19 Prozent. Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass ungesunde und/oder umweltbelastend hergestellte Lebensmittel höher besteuert werden, beziehungsweise dass für Bio-Lebensmittel generell der niedrige Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gilt. So könnte der Preisabstand zwischen Bio und konventionell verringert werden und die ökologischen und gesellschaftlichen Kosten der Lebensmittelproduktion sichtbarer gemacht werden.
Was wir natürlich auch noch wissen wollen: Wie hältst Du es selber mit dem Essen und dem Kochen?
Ich versuche schon, im Großen und Ganzen das zu leben, worüber ich schreibe — aber wie gesagt, ohne Dogma. Was mir sehr viel Spaß macht, ist das Thema »Lebensmittel retten«. Dafür nutze ich dann auch mal Apps wie »Too good to go«: Damit kann man Überraschungstüten mit überschüssigen Lebensmitteln aus Läden und Restaurants ergattern. Gleichzeitig bekommt man oft hochwertige Lebensmittel zum kleinen Preis. Ich freue mich immer sehr, wenn ich zum Beispiel eine Tüte mit vier Vollkornbroten vom selben Tag zum Preis von einem bekomme. Und ich finde es wunderbar, den Speiseplan mit selbst gesammeltem zu ergänzen. Auf der Seite mundraub.org findet man Stellen, wo man Obst, Nüsse oder Kräuter finden kann und — mit Augenmaß — ernten darf. Das spart jetzt nicht soviel in Sachen Einkaufsbudget, aber es macht einfach unheimlich viel Spaß, den Speiseplan zum Beispiel mit Bärlauch oder Maronen zu ergänzen.
Vielen Dank Annette!