Die Herbstsonne wirft ihr warmes Licht auf Berlin. Gelbe Blätter rieseln von den Bäumen und wehen raschelnd über die Straßen am Schlesischen Tor. Auf den Außensitzen der Restaurants sitzen die Menschen zur Mittagszeit und genießen die letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres. Aus der weit offen stehenden Tür des »Happa« schallt Reggae, fröhlich wummernde Karibik-Beats, die gute Laune verbreiten. »Wir wollen ein Wohlfühlort sein, ein Safe Space, ein Ort für Begegnungen abseits des eigenen Zuhauses«, sagt Restaurantbesitzerin Sophia Hoffmann. Die vegane Köchin und erfolgreiche Kochbuchautorin träumte lange von einem eigenen Restaurant. Vor zwei Jahren wurde dieser Traum wahr. Gemeinsam mit Nina Petersen eröffnete sie das vegane Bio-Restaurant Happa im Berliner Szene-Stadtteil Kreuzberg. Seitdem kommen dort gutes Essen, Begegnungen und soziale Werte zusammen.
Hoffmann und Petersen lernten sich 2017 kennen. Schnell stellten sie fest, dass sie einen gemeinsamen Traum hegen: Den vom eigenen Lokal. »Uns hat der Gedanke ›Bio für alle‹ angetrieben.«
Bio und persönlich
An der Hauswand hängt eine rote Tafel mit handgeschriebener Speisekarte. »Zum Mittagstisch haben wir eine relativ kleine Karte, aber dafür wechselt sie jede Woche«, sagt Hoffmann. Das heutige Hauptgericht: Ofenkohl mit Thymianbutter, Röstkartoffeln und Kräuterdip für 13 Euro. Alternativ gibt es einen herzhaften Kürbis-Laucheintopf oder ein Grilled Sandwich mit Sojahack für je 8 Euro. Die Köchin hofft, dass sie mit ihrem Angebot möglichst viele Menschen im Kiez erreichen. »Uns hat der Gedanke ›Bio für alle‹ angetrieben«, sagt Hoffmann. »Aber unter Wert verkaufen können wir die Ware in Bio-Qualität natürlich auch nicht.«
Hauptlieferant des Restaurants ist das Berliner Unternehmen Querfeld, das Lebensmittel vor der Tonne rettet. »Sie vertreiben ›Culinary Misfits‹, also Obst und Gemüse, das nicht dem optischen Standard entspricht, weil es zu groß, klein, krumm oder schief ist.« Geschmacklich sei die Ware einwandfrei. »Die etwas günstigeren Bio-Preise können wir dann auf die Gerichte umschlagen.« Auch direkt bezogene, regionale Produkte landen in den Kochtöpfen, zum Beispiel Kichererbsen aus Brandenburg oder Mais aus Mecklenburg-Vorpommern. »Wir haben uns mittlerweile ein Netzwerk aufgebaut. Die vielen Puzzleteile ergeben das Gesamtbild.« Sowohl die Produkte als auch die Dienstleistungen wollen die beiden Frauen so fair und nachhaltig wie möglich beziehen. »Das fängt bei der Reinigungsfirma an und reicht bis hin zu unserem Kaffee.«
Sophia Hoffmann sitzt auf einem restaurierten Vintage-Stuhl im hinteren Teil des Restaurants. An den knallbunt gestrichenen Wänden hängen schwarz-weiß Fotografien »Auf den Porträts sieht man unsere Kaffeebäuerinnen, die unseren Kaffee herstellen.« Den Kaffee im Happa röstet und vermarktet eine Frauenkooperative in Ruanda.
Zwei Frauen, ein Traum
Hoffmann und Petersen lernten sich 2017 kennen. »Nina hatte ein Jahr zuvor mit dem Vereinsteam von ›Restlos Glücklich‹ Deutschlands erstes Reste-Restaurant in Berlin eröffnet.« Schnell stellten sie fest, dass sie einen gemeinsamen Traum hegen: Den vom eigenen Lokal. »Keine von uns wollte das alleine machen, also haben wir uns zusammengetan.« Eigentlich sollte es kurz darauf losgehen, aber erst kam die Familienplanung, dann die Pandemie dazwischen. »Im Nachhinein war das ganz gut so. Statt alles überstürzt anzugehen, hatten wir viel Zeit für die Planungen.« Zeit, die die zwei Gastronominnen genutzt haben: »Wir haben zunächst einen umfangreichen Wertekatalog erstellt und uns dafür entschieden, unser Restaurant bio-zertifizieren zu lassen.« Bio sei in der Gastronomie oft ein blinder Fleck, finden die beiden. »Viele Leute gehen Bio einkaufen, gucken aber im Restaurant nicht genau hin. Wir geben ihnen die Garantie, dass alles, was auf den Tisch kommt, Bio ist.«
Bio, weil es besser schmeckt
Ein gutes Ausgangsprodukt zu haben, ist den Frauen wichtig. »Wenn man Bio-Produkte statt konventionell angebauter Produkte nutzt, macht das geschmacklich einen Riesenunterschied.« Sie verzieht das Gesicht, wenn sie an konventionelles Obst und Gemüse denkt, ein gespritzter Apfel kommt der veganen Köchin schon längst nicht mehr in den Einkaufskorb. Ab halb drei wird es ruhiger im Restaurant. Sophia Hoffmann geht in die kleine Restaurantküche, die für Gäste einsehbar ist. Sie holt einen Beutel mit Haselnüssen. »Wer diese Haselnüsse probiert, wird nie wieder konventionell angebaute essen wollen«, sagt Hoffmann. »Der geschmackliche Unterschied ist frappierend.« Dann zieht sie einen Behälter mit hellbrauner, leicht sämiger Flüssigkeit aus dem Regal. »Das ist eine unserer wichtigsten Zutaten: Yuvals Tahina.« In der rein pflanzlichen Küche braucht das Küchenteam die Bio-Sesampastete nicht nur für die Herstellung von Humus, sondern sie verfeinert auch Soßen, Dips und Suppen damit. »Die Tahina ist so lecker nussig, dass man sie pur löffeln kann.«
»Es macht mich total glücklich, wenn Ware ankommt und alle erstmal daran riechen, weil sie so gut duftet.« Ein Genuss für alle Sinne sei das. Die spannendste Herausforderung für Hoffmann: Aus einfachen Lebensmitteln etwas Leckeres zaubern.
Kreative Pflanzenküche, glückliche Gäste
Heute verarbeitet Mitarbeiterin Monja die Sesampaste für das Frosting ihres Carrot Cakes. Sie rührt Zucker, Mehl, Salz und Zimt mit veganer Pflanzenmilch an. »Muskatnuss ist unsere Geheimzutat«, verrät sie. Auch gestiftelte Karotten, Natron und Backpulver finden ihren Weg in die Edelstahlschüssel, statt Eiern sorgt Apfelmus für die richtige Bindung. »Ich habe viel Erfahrung in der Gastronomie, aber hier im Happa arbeite ich zum ersten Mal in einer veganen Küche«, sagt Monja, die ihre Kindheit auf dem elterlichen Milchviehbetrieb verbracht hat. »Ich wollte in einem veganen Restaurant arbeiten, weil ich glaube, dass vegan die Zukunft ist«, sagt sie. Früher ist ihr der Unterschied zwischen Bio und konventionellen Produkten vor allem bei Eiern und Milchprodukten aufgefallen. »Heute schmecke ich auch bei frischem Gemüse einen deutlichen Unterschied heraus.« Während ihre Chefin und sie über die Qualität von Haselnüssen sprechen, kommt eine Frau, die draußen auf einer der Bänke saß, ins Restaurant und bringt ihren Teller zurück. »Das war alles mega nice, voll lecker«, sagt sie und verabschiedet sich. »Die kam ja wie auf Bestellung«, sagt Hoffmann und lacht. »Wir bekommen glücklicherweise sehr regelmäßig gutes Feedback von den Menschen, die bei uns essen.«
Gute Arbeitsbedingungen für guten Geschmack
Die Öffnungszeiten des Restaurants sind an die Bedürfnisse aller Mitarbeitenden angepasst. Von Montag bis Freitag gibt es im Happa jeden Tag einen Mittagstisch, an zwei Tagen ist bis in den späten Abend hinein geöffnet. »Freitags und samstags öffnen wir nur abends«, sagt Hoffmann. »Sonntags haben wir zu.« Ein nachhaltiger Umgang mit den Kräften ihres Personals und ihren eigenen ist ihnen wichtig. »Meine Geschäftspartnerin hat ein kleines Kind, deswegen war uns das Kerngeschäft zur Mittagszeit wichtig.« Beide Gründerinnen hatten vor der Eröffnung ihres eigenen Lokals bereits Erfahrungen mit dem Thema Burn-out gemacht. »Deswegen war es uns wichtig, den Laden auch mal einen Tag zu schließen, damit wir Zeit haben, durchzuatmen.« Ein rauer Umgangston und haufenweise Überstunden, wie sonst in der Gastronomie oft üblich: Das wollen sie im Happa nicht.
Genuss statt Bekehrung
Die größte Herausforderung für die beiden Gründerinnen: Die Einnahmen konstant zu halten. »Der Zulauf ist einfach sehr unbeständig. Es gibt Phasen, da ist der Laden immer voll und dann gibt es Phasen, wie beispielsweise zu EM-Zeiten, da kommen deutlich weniger Menschen zu uns.« Wechselnde Dinner-Abende und Specials sollen deshalb Gäste anlocken: eine Taco Night, ein Abend mit polnischen Köstlichkeiten oder ein Hülsenfrüchte-Dinner mit lokalen Produzent:innen. Stammkundschaft sei wichtig, so die Gründerin. Ob Veganer:in oder nicht, das sei egal. »Wir wollen hier auch niemanden bekehren«, sagt Hoffmann. Immer mal wieder »verirren« sich Menschen ins Happa, die nicht wissen, dass hier ausschließlich veganes Essen auf der Speisekarte steht. »Wir haben das auch nicht wahnsinnig plakativ draußen dran stehen. Viele merken es nicht mal«, sagt Hoffmann. Das sei für sie das allerschönste Kompliment, »wenn wir mit dem Geschmack überzeugen.«
Low Waste: Nachhaltigkeit bis zum letzten Bissen
Um tierfreie Kost ranken sich viele Mythen, weiß die Köchin. So sei es ein weit verbreiteter Fehlglaube, dass veganes Essen automatisch zucker‑, gluten- und alkoholfrei sei. »Bei uns gibt es das alles, aber immer in Maßen«, sagt Hoffmann. Die Ausgewogenheit sei wichtig — und qualitativ hochwertige Produkte. Für die Köchin ist es ein Privileg, mit guten Bio-Zutaten arbeiten zu dürfen. »Es macht mich total glücklich, wenn Ware ankommt und alle erstmal daran riechen, weil sie so gut duftet.« Ein Genuss für alle Sinne sei das. Die spannendste Herausforderung für Hoffmann: Aus einfachen Lebensmitteln etwas Leckeres zaubern. »Kartoffeln, Karotten oder Kohlköpfe finden viele langweilig. Daher reizt es mich besonders, daraus etwas Neues und Ausgefallenes zu machen.« Müll produziert das Happa kaum, weggeschmissen wird so gut wie nichts: Hier wird das Prinzip Low Waste gelebt. »Wir schaffen es, so gut wie auf null zu arbeiten«, sagt Hoffmann, die mit ihrem Kochbuch »Zero Waste Küche« eine Art Manifest für müllarmes Kochen geschrieben hat. »Für unsere Dinnerabende müssen sich unsere Gäste vorher anmelden, da können wir den Einkauf sehr gut planen«, berichtet sie. Für den Mittagstisch werde frisch gekocht. »Selbst Eintöpfe kochen wir meist nur für zwei Tage vor. Wenn sie früher alle werden, kochen wir lieber nochmal nach.« Gemüse- und Obstreste werden fast vollständig weiterverwertet. »Aus aufgeschnittenem Kohl machen wir Sauerkraut, Pflaumen und Zwetschgen wecken wir ein, Tomaten trocknen wir im Dörrautomaten.« Selbst aus den Stängeln der Petersilie und Zwiebelschalen macht die Köchin noch Pulver und Gewürze.
Und woher kommt der Name »Happa«? Sophia Hoffmann lacht. »Das kommt tatsächlich aus der Kindheit«, sagt sie. »Alle, die in Deutschland aufgewachsen sind, verbinden mit dem Wort etwas.« Das Wort funktioniere aber auch international, denn: »Es erinnert die Menschen an ›happy‹, ist also ein durch und durch positives Wort. Und das passt gut zu uns.«
→ Kristin Kasten