Von zwei Dingen sollte sich niemand täuschen lassen: Erstens vom eher durchschnittlichen Sommer 2021. Mäßig warme Tage im Juli und August, begleitet von gelegentlichen Regenfällen – das wird in Zukunft eher die Ausnahme sein. Dagegen waren die extrem heißen und vor allem trockenen Sommermonate der Jahre 2018 bis 2020 vermutlich nur ein Vorgeschmack auf das, was wir zu erwarten haben. Zweitens kann zwar durchaus der Eindruck entstehen, der Deutsche Bauernverband jammere immer über zu schlechte Ernten, egal wie das Wetter ist. Doch das, was mit dem Klimawandel auf die Landwirtschaft zukommen wird, treibt den Landwirt:innen wirklich und absolut zu Recht Sorgenfalten auf die Stirn.
Veränderte Bedingungen weltweit
Die Landwirtschaft steht vor der Herausforderung, den Ausstoß von Methan und Lachgas zu reduzieren – deren Anteil an den gesamten deutschen Treibhausgasemissionen liegt immerhin bei neun Prozent. Weltweit müssten sich Bauern schon innerhalb des nächsten Jahrzehnts auf neue Klimarealitäten einstellen, warnte das renommierte Potsdam-Institut für Klimafolgenabschätzung im November. Wenn sich die derzeitigen Trends fortsetzten, werde es tiefgreifende Veränderungen bei den Anbaubedingungen und Erträgen der wichtigsten Kulturpflanzen geben.
Herausforderungen auch in Deutschland
Dramatisch wird es vermutlich vor allem im Globalen Süden: Dort, wo traditionell viel Mais angebaut wird, werden die Ernten aufgrund des Klimawandels vermutlich um ein Fünftel geringer ausfallen – mit ernsten Folgen für die Ernährungssicherheit der dortigen Bevölkerung. Doch auch in Deutschland werden die Auswirkungen des Klimawandels sicht- und spürbar sein. Dass auch die deutsche Landwirtschaft verletzlich ist, zeigte sich 2018, im bislang wärmsten Jahr seit Beginn regelmäßiger Wetteraufzeichnungen. Durch die Hitze und lang anhaltende Trockenheit gab es damals besonders in Norddeutschland, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Teilen Bayerns hohe Ertragseinbußen, nicht nur bei Getreide, sondern auch beim Grünfutter für das Vieh.
Mehr Hitze, mehr Regen, mehr Extreme
Alles spricht dafür, dass 2018 keine Ausnahme bleiben wird. Neun der zehn wärmsten Jahre in Deutschland wurden nach dem Jahr 2000 beobachtet. Die durchschnittliche Temperatur steigt nach Angaben des Umweltbundesamtes ebenso wie die Anzahl der heißen Tage mit einer Maximaltemperatur von über 30 Grad. Kletterte das Thermometer um 1950 nur an etwa drei Tagen jährlich über die 30-Grad-Marke, sind es aktuell schon durchschnittlich zehn Tage. Nach den Prognosen der Expert:innen könnten es Mitte des Jahrhunderts schon 15 und Ende des Jahrhunderts über 30 heiße Tage pro Jahr geben. Auch die Niederschlagsmuster verändern sich: Schon heute fällt im Osten und Nordosten Deutschlands deutlich weniger Regen als im Westen und Süden, dieser Trend dürfte sich ebenfalls verstärken. Außerdem steigt das Risiko für schwere Unwetter: Einerseits werden mehr Tage ohne Regen erwartet, andererseits aber auch mehr Tage mit intensiven Starkniederschlägen.
Zu frühe Blüte, zu kurze Reifezeit
Welche konkreten Auswirkungen der Klimawandel auf die Landwirtschaft haben wird, damit hat sich der »Kritische Agrarbericht 2021« befasst: Pflanzen fangen früher an auszutreiben und zu wachsen, weil die Winter milder und die Temperaturen im Frühjahr oft schon recht hoch sind. Mit dem frühzeitigen Vegetationsbeginn steigt aber die Gefahr, dass Spätfröste im April oder Mai alles zunichte machen. Außerdem entwickeln sich Pflanzen zu schnell. Bei Getreide kann das dazu führen, dass die sogenannte Kornfüllungsphase zu kurz ist, um gute Erträge zu bringen.
Bei hohen Sommertemperaturen verbrauchen Getreide, Kartoffeln und Gemüse viel Wasser, der Boden trocknet entsprechend aus. Das hat zur Folge, dass kräftige Regenfälle von der Erde nicht mehr gut aufgenommen werden können, sondern schnell abfließen – und einen Teil des Bodens mit sich reißen. Auch starker Wind kann bei ausgetrockneten Feldern zur Bodenerosion führen. Verändern werden sich vermutlich auch die Pflanzenkrankheiten sowie Schädlinge und Unkräuter, mit denen die Bäuerinnen und Bauern in Zukunft zu kämpfen haben werden.
Probleme für Insekten
Weitere mögliche Folgen für die Landwirtschaft skizziert auch der zweite Teilbericht der »Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland«, den das Umweltbundesamt im Juni 2021 veröffentlichte. Blühen die Pflanzen immer früher, könne das bedeuten, dass die Bestäuberinsekten noch gar nicht bereit sind: Denn Bienen und Hummeln entwickeln sich nach der Wintersonnenwende nur langsam zu starken Völkern, die dann von Blüte zu Blüte fliegen.
Mit den steigenden Temperaturen und dem zunehmenden CO2-Gehalt der Atmosphäre reduziere sich der Gehalt von Eiweißen und Spurenelementen in Feldfrüchten von sogenannten C3-Pflanzen, die mit normaler Photosynthese arbeiten – dazu gehören beispielsweise Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Kartoffeln, Reis und Sojabohnen. Im Vorteil seien dann C4-Pflanzen wie Mais, Hirse, Amaranth oder Zuckerrohr. Sie nutzen einen anderen Stoffwechselweg und kommen mit Hitze und Wasserknappheit besser zurecht.
Stress für Nutztiere
Auch in der Nutztierhaltung werden die Konsequenzen des Klimawandels spürbar werden. Wie den Menschen machen auch Tieren heiße Tage und tropische Nächte zu schaffen. Warum sollte es bei ihnen anders sein? Beeinträchtigt wird nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Leistungsfähigkeit: Kühe geben schon bei geringem Hitzestress weniger Milch, deren Qualität zudem verändert ist. Schweine reagieren auf Hitze mit einer reduzierten Futteraufnahme und einem entsprechend geringeren Wachstum. Masthähnchen und Legehennen wachsen langsamer und legen weniger, die Eier sind kleiner und haben eine dünnere Schale. Außerdem wäre da noch das Thema Viehfutter: Ein großer Teil davon wird importiert, beispielsweise Soja. Doch der Klimawandel könnte auch den gigantischen Soja-Monokulturen in Brasilien oder den USA zusetzen – und die deutschen Viehbetriebe vor ungeahnte Probleme stellen.
Lösungen aus dem Bio-Landbau
Um in Zukunft bestehen zu können, muss die Landwirtschaft sich anpassen, und zwar unverzüglich. Denn viele Maßnahmen brauchen ihre Zeit, um wirksam zu werden. Vorgeschlagen wird in dem Bericht unter anderem, dass landwirtschaftliche Betriebe sich wieder breiter aufstellen. Viele seien heute sehr spezialisiert, um wirtschaftlicher arbeiten zu können: »Dies hat zur Folge, dass über Erfolg oder Misserfolg und damit das Überleben eines Betriebes häufig ein einziges Produkt entscheidet.« Notwendig seien darüber hinaus vielfältigere Fruchtfolgen, die Zucht und der Anbau hitzetoleranter Kulturen, eine schonendere Bearbeitung des Bodens. Außerdem robustere Tierrassen statt Vieh, das auf Hochleistungen gezüchtet ist, und der Anbau von trockenheitsverträglichen Tiefwurzlern wie Luzerne und Hirsearten als alternative Futtermittel.
Kein Wunder, dass für die Autor:innen des Berichts der ökologische Landbau als gutes und tragfähiges Mittel der Wahl erscheint, als erprobte klimaangepasste Bewirtschaftungsstrategie: Viele der Punkte auf der Vorschlagsliste gehören für Bio-Bauern und ‑Bäuerinnen schon lange zum normalen Alltag. Ist der Ökolandbau also bestens für den Klimawandel gerüstet? »Der ökologische Landbau ist sicher widerstandsfähiger, weil unsere Betriebe sich um einen gesunden Boden mit einer guten Wasserhaltekapazität bemühen«, sagt Gerald Wehde, beim Anbauverband Bioland Geschäftsleiter für Agrarpolitik und Kommunikation. Besonders wichtig sei der Humusaufbau, das heißt der Aufbau einer nährstoffreichen oberen Erdschicht mit vielen Bodenlebewesen. Die Humusschicht sei einerseits ein beachtlicher Wasserspeicher und nehme andererseits durch das gute Bodengefüge auch starke Niederschläge besser auf. Die Qualität des Bodens zu verbessern, sei daher als breit wirksame Maßnahme enorm wichtig.
Ob Pflanze oder Tier: Auch Bio braucht neue Züchtungen
Trotzdem könne es an »Extremstandorten« mit sandigen Böden und schon heute oft trockenen Sommern wie in Brandenburg schwierig werden für Bio-Landwirt:innen: »Natürlich kann ich da Hirse anbauen, aber ich muss das ja auch verkaufen können.« Mittelfristig sei es dringend notwendig, sich mit regional angepassten, resilienten Züchtungen zu beschäftigen, die sowohl mit Trockenheit als auch mit zu viel Nässe zurechtkommen. »Die Züchtung neuer Sorten dauert mindestens zehn bis 15 Jahre, und da brauchen wir auch die Zusammenarbeit mit Züchtern aus dem konventionellen Bereich, die ohne gentechnische Verfahren arbeiten«, meint Wehde. Neben den Pflanzen müssten auch die Nutztiere so gezüchtet werden, dass sie mit dem verän-derten Klima und höheren Temperaturen klarkommen: »Es kann nicht die Lösung sein, Ställe mit Ventilatoren und Wasservernebelung oder gar Klimaanlagen zu bauen.«
Beim Anbauverband Demeter wird die Notwendigkeit neuer Züchtungen ebenfalls gesehen. Zwar würden sich Landwirt:innen schon jetzt mit einer veränderten Kulturauswahl an die klimatischen Veränderungen anpassen: »Der Anbau von trockenstresstolerantem Hartweizen oder Früchten wie Melonen, Physalis und Kiwi weitet sich in Deutschland aus«, zählt Ameli Uhlig, Referentin für politische Kommunikation bei Demeter, einige Beispiele auf. Um standortangepasst besser reagieren zu können, brauche es aber weitere Züchtungen.
Eine Aufgabe für die gesamte Landwirtschaft
Einig sind sich Uhlig und ihr Bioland-Kollege Wehde auch in der Einschätzung, dass ökologisch wirtschaftende Betriebe durch die jetzt bereits übliche Diversifikation ihr Risiko mindern, von Klimaextremen wirtschaftlich stark betroffen zu sein: »Wenn eine große Vielfalt unterschiedlicher Kulturen angebaut wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass unerwartete Klimaereignisse nur einen Teil der Ernte treffen, da nicht alle Feldfrüchte zur gleichen Zeit reif werden«, so Uhlig. Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre habe man zudem einiges gelernt: »Bei uns ist es inzwischen Vorschrift, einen Puffer an Viehfutter anzulegen. Und wir haben Kooperationsnetzwerke aufgebaut, um einander bei extremen Ereignissen auszuhelfen«, sagt Gerald Wehde. Vieles geht also schon in die richtige Richtung. »Es ist wichtig, dass wir uns mit dem Thema Klimaanpassung auseinandersetzen, um in andere Denk- und Anbauprozesse zu kommen. Das gilt aber für die gesamte Landwirtschaft.«
→ Birgit Schumacher
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Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 94 — Frühjahr 2022