In jedem Fall ist Duft eine zutiefst persönliche Angelegenheit. Bioboom fragt: Geht das auch natürlich? Denn während Naturkosmetik seit vielen Jahren boomt, ist Naturparfum immer noch ein Nischenmarkt.
Geschichte des Parfums
Ursprünglich waren alle Parfums Naturparfums. Waren die ersten Düfte der Welt vermutlich Räucherstoffe (das Wort Parfum leitet sich vom lateinischen »per fumare« ab, was »durch Rauch« heißt), wurden die ersten wohlriechenden Salben und Öle bereits im antiken Ägypten verwendet. Als Material dienten Auszüge wohlriechender Blumen, Kräuter und Hölzer, teilweise auch tierischen Ursprungs wie Moschus oder Ambra. Düfte waren entsprechend kostbar und teuer. Die industrielle Revolution ermöglichte auch eine Zeitenwende der Duftherstellung: Nun konnten die Bestandteile ätherischer Öle im Labor synthetisiert und in großem Maßstab hergestellt werden.
Hinzu kamen synthetische Duftstoffe, die in der Natur nicht vorkommen. So wurden Parfums erschwinglich und konnten ihren Siegeszug durch alle Gesellschaftsschichten antreten. Heute ist Parfum ein Massenmarkt. Hunderte von Düften werden von Kosmetikkonzernen jährlich auf den weltweiten Markt gebracht, unterstützt von aufwändigen Werbekampagnen. Während Naturkosmetik seit Jahren immer mehr Menschen überzeugt, sind Naturparfums nach wie vor eine Rarität. Oft sind es »echte« Naturkosmetikfirmen, die ihr Portfolio mit einem kleinen, feinen Sortiment von Naturdüften abrunden.
Was drin steckt – oder auch nicht
Wer bewusst konsumiert, will wissen, was drin ist. Auf der sicheren Seite seid Ihr natürlich, wenn Ihr die etablierten Naturkosmetik-Siegel (zum Beispiel NaTrue oder COSMOS) auf dem Produkt entdeckt. Ansonsten ermöglicht der Blick auf die Zutatenliste zumindest eine Orientierung: Die wesentliche Trägersubstanz, in der die Duftstoffe gelöst sind, ist in der Regel Alkohol, bei Naturparfums manchmal auch pflanzliche Öle. Während Naturdüfte auf reinen oder sogar Bio-Alkohol setzen, wird in konventionellen Parfums manchmal Alkohol eingesetzt, der »vergällt«, also für den menschlichen Verzehr ungenießbar gemacht worden ist, und der dadurch günstiger wird.
Zum Vergällen werden zum Beispiel Phtalate eingesetzt, die hormonell wirksam sind. Um den Charakter des Dufts auch optisch zu unterstreichen, werden in konventionellen Düften häufig Farbstoffe eingesetzt. Auch bedenkliche UV-Filter wie Ethylhexyl Methoxycinnamat kommen zum Einsatz – sie sollen den Duft vor Sonneneinstrahlung schützen, damit er länger haltbar ist. Und auch wenn es angesichts der Tatsache, dass Alkohol an sich konservierend wirkt, verwunderlich ist: Manchmal stecken sogar noch Konservierungsstoffe im Duft.
Geheimnisvolle Düfte
Anders als bei Kosmetik generell müssen die Inhaltsstoffe eines Dufts nicht detailliert aufgeschlüsselt werden. Das ist in gewisser Hinsicht verständlich, denn welche:r Parfumeur:in möchte sich schon in die Karten gucken lassen? Also findet sich in der INCI, wie die Zutatendeklaration bei Kosmetik heißt, nur der Punkt »Perfume«. Ausnahme: Es gibt eine Reihe von Duftstoffen, die relativ häufig Allergien auslösen. Die müssen, sofern der Gehalt im Produkt 0,01 Prozent übersteigt, ausgewiesen werden. Das betrifft natürliche und synthetische Duftstoffe gleichermaßen – schließlich können auch natürliche und gesunde Lebensmittel wie Erdnüsse Allergien auslösen.
Tatsächlich sind 18 der insgesamt 26 Duftstoffe auf der Liste solche, die auch in natürlichen ätherischen Ölen vorkommen. Das betrifft zum Beispiel Eugenol, das natürlich in der Gewürznelke vorkommt, Farnesol, das zum Beispiel in Jasmin- oder Rosenöl enthalten ist oder Geraniol, das, wie der Name vermuten lässt in Geranien oder auch Rosen vorkommt. Acht Kandidaten auf der Liste stammen aus dem Labor, darunter Amylcinnamal oder eine Verbindung mit dem beeindruckenden Namen 4-(4‑Hydroxy-4-methylpentyl)-3-cyclohexencarboxaldehyd 1).
Status: Komplex und kompliziert
Bleiben wir beim Beispiel Geraniol: Kompliziert wird die Sachlage dadurch, dass dieser Duftstoff ein natürlicher Bestandteil vieler ätherischer Öle ist. Wird »Geraniol« deklariert, bleibt zunächst offen, ob der Stoff in einem natürlichen ätherischen Öl, das verwendet wurde, enthalten ist, ob er als Einzelkomponente aus einem natürlichen Ausgang herausdestilliert oder im Labor synthetisch nachgebaut wurde. Genauso ist es bei den anderen natürlichen Duftstoffen. Hier sind wir als Verbraucher:innen darauf angewiesen, dass uns die Herstellenden zusätzlich verraten, ob sie mit ätherischen Ölen oder fraktionierten Einzelbausteinen gearbeitet haben.
Herausforderung Natürlichkeit
Für die Parfumeur:innen ist die Kreation natürlicher Düfte eine Herausforderung: Ihnen stehen nur wenige hundert Ausgangsrohstoffe zur Verfügung, während ihre konventionellen Kolleg:innen mehrere tausend zur Auswahl haben. Ätherische Öle bestehen jeweils wiederum aus hunderten Einzelkomponenten. Nicht nur dass ein türkisches Rosenöl anders riecht als ein bulgarisches, auch unterschiedliche Ernten bringen unterschiedliche Duftnuancen. Kein Wunder, dass echte Naturparfums auf dem Duftmarkt (noch) ein Nischendasein führen.
Wo sich der Duft am wohlsten fühlt
Ein Duft kann sich in seiner ganzen Komplexität am besten entfalten, wenn er direkt auf der Haut aufgetragen wird und zwar da, wo sie gut durchblutet ist, zum Beispiel im Nacken oder auf den Handgelenken. Aufgepasst, wenn Ihr Euren Duft jeden Tag verwendet: Die Nase gewöhnt sich, Ihr werdet ihn irgendwann nicht mehr wahrnehmen – Eure Umwelt aber schon. Wenn Ihr mit Eurem edlen Naturduft sparsam umgeht, stellt sich natürlich die nächste Frage: Wie lange ist ein Parfum haltbar? Dazu gehen die Meinungen von Beauty-Profis auseinander, die Angaben schwanken von drei bis fünf Jahren.
Ähnlich wie bei Lebensmitteln könnt Ihr auch beim Duft Eurer Nase vertrauen: Ein »gekipptes« Parfum riecht ranzig oder merkwürdig. Was gut duftet, das ist auch noch gut. Einig sind sich Expert:innen, dass Düfte weder in den Kühlschrank (zu kalt) noch ins Badezimmer (zu warm) gehören. Eine kühle Zimmertemperatur, zum Beispiel im Schlafzimmer ist perfekt. Und sie lieben es dunkel, damit der geliebte Duft lange stabil bleibt, am besten im Schrank oder einfach in der Umverpackung aufbewahren.
Fündig werden
Wo findet man Naturparfums? Im Versandhandel im Internet sowieso. Aber will man seinen Duft wirklich digital ohne jede Beteiligung der Sinne kaufen? Wer lieber schnuppert, schaut da, wo es eine etwas umfangreichere Naturkosmetikabteilung gibt. Konventionelle Parfümerien haben ebenfalls »natürliche« Düfte im Programm, wem die Natürlichkeit wirklich wichtig ist, sollte hier stets einen misstrauischen Blick auf die Deklaration bzw. vorhandene oder eben nicht vorhandene Zertifizierung werfen. Eine super Anlaufstelle sind Naturkosmetikfachgeschäfte, die gibt es bis jetzt (leider) überwiegend in größeren Städten. Kurz, einen Duft zu finden, der sowohl natürlich als auch persönlich perfekt ist, erfordert einen Hauch von Einsatz – der Erfolg verspricht eine duftende Begleitung fürs Leben.
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Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 97 — Winter 2022