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Bioboom-Falsch-Gebraten-Vegane-Fleischalternativen

Falsch ge(b)raten
Vega­ne Fleischalternativen

Die traditionellen Festeessen sind fleischlastig. Wer angesichts der opulenten Vorschläge gerade in alten Kochbüchern den Kopf schüttelt: Die Rezepte stammen aus Zeiten, als die Menschen generell weniger Fleisch aßen, es weder Discounter noch Billigfleisch aus solchen gab und der Klimawandel kein Thema war. Heute sieht das anders aus.
Falsch gebraten – Vegane Fleischalternativen
Falsch gebraten – Vegane Fleischalternativen

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Muss Fleisch wirk­lich ›ersetzt‹ werden?

 

Wo Men­schen gemein­sam essen, sind mitt­ler­wei­le fast immer Vege­ta­ri­er und Vega­ner mit von der Par­tie. Acht Mil­lio­nen Men­schen in Deutsch­land ernäh­ren sich nach Schät­zun­gen des Ver­eins Pro­Veg vege­ta­risch, 1,3 Mil­lio­nen vegan – Ten­den z stei­gend. Kein Wun­der, dass Flei­sch­al­ter­na­ti­ven mitt­ler­wei­le in jedem Bio-Markt etli­che Regal­me­ter ein­neh­men. Sie sind genau das, was der Name sagt: Sie kom­men ins Rezept dahin, wo sonst das Fleisch wäre. Bra­ten, Rou­la­de, Gulasch, Würst­chen, Gyros – es gibt nichts, was es nicht gibt (ach doch, an Rin­der­zun­ge und Leber hat sich nach Wis­sen der Redak­ti­on noch nie­mand ver­sucht). Muss es das alles wirk­lich geben?

 

Nicht jedem schmeckt Fleisch

 

Die Ant­wort ist typ­ab­hän­gig. Da wäre zum Bei­spiel Harald. Der Mitt­vier­zi­ger ist Vege­ta­ri­er, seit er Teen­ager ist, und das aus einem ganz ein­fa­chen Grund: Er fin­det Fleisch nicht lecker. So wie ihm geht es etli­chen ande­ren: Ent­we­der sie mögen es grund­sätz­lich nicht oder sie haben irgend­wann kei­ne Lust mehr auf den Geschmack. War­um dann zu Pro­duk­ten grei­fen, die sich Mühe geben, so ›echt‹ wie mög­lich zu schme­cken? Alle, denen es eben­so geht, grei­fen lie­ber zu Hül­sen­früch­ten, Nüs­sen oder Maro­nen, aus denen sich Bra­ten und Brat­lin­ge zau­bern lassen.

 

Tra­di­tio­nel­le Protein-Alternativen

 

Im asia­ti­schen Raum gibt es übri­gens ­eini­ge Flei­sch­al­ter­na­ti­ven bereits seit Tau­sen­den von Jah­ren. Tofu, Seit­an und Tem­peh. Die tra­di­tio­nel­len Lebens­mit­tel bemü­hen sich nicht, ›wie Fleisch‹ zu schme­cken, son­dern haben ihre eige­ne kuli­na­ri­sche Berech­ti­gung. Vom Tofu behaup­ten böse Zun­gen, er schme­cke nach nichts – da er aber jeg­li­che Geschmacks­rich­tung aus Mari­na­den und Gewür­zen bereit­wil­lig annimmt, muss sei­ne natür­li­che Neu­tra­li­tät kein Nach­teil sein.

 

Auch der aus Indo­ne­si­en stam­men­de ­Tem­peh wird aus Soja her­ge­stellt: Gekoch­te Boh­nen wer­den mit Edel­pilz­kul­tu­ren geimpft, er schmeckt nus­sig, leicht pil­zig und ist ein ›clea­nes‹ ernäh­rungs­phy­sio­lo­gisch wert­vol­les Lebens­mit­tel. Beson­ders gut schmeckt er kross gebra­ten. Herz­haf­ter und aus­ge­spro­chen fleisch­artig in der Kon­sis­tenz ist Seit­an: Bei ihm han­delt es sich um Wei­zen­ei­weiß (Glu­ten), das durch Waschen und Kne­ten aus dem Wei­zen her­aus­ge­löst und in einer Mari­na­de aus Soja­so­ße, Algen und Gewür­zen ein­ge­legt wird. Durch die makro­bio­ti­sche Küche wur­de er im Wes­ten bekannt. Dass er für Men­schen mit Glu­ten­un­ver­träg­lich­keit nicht geeig­net ist, ver­steht sich von selbst.

 

Fleisch mögen und trotz­dem keins essen

 

Ein Gegen­pol zu Harald ist Lukas, 26. Er fin­det Fleisch total lecker und könn­te täg­lich pro­blem­los zwei Schnit­zel auf eimal ver­til­gen. Aller­dings: Er hat sich inten­siv mit der Rea­li­tät der Mas­sen­tier­hal­tung beschäf­tigt. Er weiß außer­dem, dass eine rein pflanz­li­che Ernäh­rung ein effek­ti­ver per­sön­li­cher Bei­trag zum Kli­ma­schutz ist. Des­halb hat er beschlos­sen, dass er nicht Teil des Pro­blems, son­dern der Lösung sein möch­te und ernährt sich vegan. Für ein rich­tig gutes Tira­mi­su oder ein Käse­fon­due Sil­ves­ter macht er schon mal eine Aus­nah­me. Er fin­det es gut, mal ein Veg­gie-Gyros in die Pfan­ne oder ein paar Seit­an-Würst­chen auf den Grill zu wer­fen, wenn er Lust auf Fleisch hat.

Veganer Braten Zwischenbild

 

Kon­ven­tio­nel­le: Täu­schend echt dank vie­len Zusatzstoffen

 

Längst hat die kon­ven­tio­nel­le Lebens­mittelindustrie den Trend erkannt. Gro­ße Fleisch­ver­ar­bei­ter wie die Rügen­wal­der Müh­le sehen vege­ta­ri­sche oder sogar vega­ne Pro­duk­te als zukünf­ti­ge Wachs­tums­trei­ber. Die kon­ven­tio­nel­le Flei­sch­al­ter­na­ti­ve ›Bey­ond‹ lös­te bei ihrer Markt­ein­füh­rung einen regel­rech­ten Hype aus. Eins muss man den kon­ven­tio­nel­len Flei­sch­al­ter­na­ti­ven las­sen: Die Pro­duk­te sind vom tie­ri­schen Ori­gi­nal oft nicht zu unter­schei­den, so ›echt‹ sind sie in Geschmack und Kon­sis­tenz – bis hin zum Bur­ger, der innen rosa-saf­tig ›blu­tig‹ ist. Schon irgend­wie lecker (wenn man Fleisch mag).

 

Aber auch ein biss­chen gru­se­lig. ›Iss nichts, was dei­ne Groß­mutter nicht als Essen erkannt hät­te‹, lau­tet die Clean Eating-Maxi­me. Groß­mutter hät­te es für Essen ­gehal­ten und es hät­te ihr wahr­schein­lich sogar geschmeckt: Fake Food höchs­ter Güte­klasse. Dass das nicht ohne mas­si­ven Ein­satz indus­tri­el­ler Ver­fah­ren und eines Spek­trums von Lebensmittelzusatz­stoffen funk­tio­niert, ver­steht sich von selbst.

 

Im Bey­ond Meat Bur­ger kom­men zur (kon­ven­tio­nel­len) Haupt­zu­tat Erbsen­protein 20 wei­te­re Zuta­ten, dar­un­ter an fünf­ter Stel­le Aro­ma und Rauch­aro­ma, gefolgt von den Sta­bi­li­sa­to­ren Cel­lu­lo­se, Methyl­cel­lu­lo­se und Gum­mi Ara­bicum. Beim ›Müh­len­steak nach Rin­der­art‹ stellt sich die Fra­ge nach der Her­kunft der Roh­stof­fe nicht: Ers­te Zutat auf der Lis­te ist Trink­was­ser, gefolgt von 13 Pro­zent Soja­pro­te­in und rund einem Dut­zend wei­te­rer Zutaten.

 

Geht doch: Bio mit Biss und Geschmack

 

Also, viel­leicht doch lie­ber alter­na­ti­ve Flei­sch­al­ter­na­ti­ven. Die gibt es im Bio-Markt. Als Aus­gangs­punkt die­nen hier ech­te Lebens­mit­tel wie Soja/Tofu, Weizen/Seitan, Lupi­ne, Son­nen­blu­me – alles was von Haus aus protein­haltig ist, und das selbst­ver­ständ­lich aus öko­lo­gi­schem Land­bau. Ohne einen gewis­sen Ver­ar­bei­tungs­grad, kom­men auch die ›Ökos‹ nicht aus. Doch zur Erin­ne­rung: Über 300 Lebens­mit­tel­zu­satz­stof­fe sind in Euro­pa erlaubt, bei Bio sind es nur rund 50. Der Blick auf ein ›Holz­fäl­ler Hack­steak‹ aus dem Bio-Regal zeigt: Zwar steht auch hier Trink­was­ser an ers­ter Stel­le, satt Ver­di­ckungs­mit­teln und Aro­men ste­hen hier Soja­sauce und Hafer­flo­cken auf der Zuta­ten­lis­te. Was die Bio-Her­stel­ler damit schaf­fen, ist nicht nur appe­tit­li­cher, son­dern auch kuli­na­risch beachtlich.

 

Darf so schme­cken – aber nicht so heissen

 

Was Her­stel­ler und Kon­su­men­ten glei­cher­ma­ßen kuri­os fin­den: Zum Schut­ze der Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­cher (oder doch der Fleisch­in­dus­trie?) soll das ›fal­sche Fleisch‹ in Zukunft nicht mehr so hei­ßen dür­fen. Ein EU-Geset­zes­vor­ha­ben sieht vor, dass – ähn­lich wie bei Milch­al­ter­na­ti­ven, die ja zum Bei­spiel auch nicht ›Soja­milch‹ son­dern ›Soja­drink‹ hei­ßen müs­sen – Pflan­zen­steaks und ‑Bur­ger kei­ne Fleisch­na­men mehr tra­gen dür­fen, son­dern zum Bei­spiel zum ›Brat­stück‹ oder ›Pat­ty‹ mutie­ren müssten.

 

Alle ein­fach glück­lich machen

 

Egal, wie es am Ende heißt: Die Lust auf Pflan­zen­fleisch zu befrie­di­gen, wird so ganz ein­fach, sei es im All­tag oder zu Fes­ten – sogar der vega­ne Weih­nachts­bra­ten ist zu haben. Schmeckt’s? Na klar. Und zwar allen. Ein guter Kom­pro­miss zwi­schen lecker und clean. Bei Buf­fets lässt sich oft fest­stel­len, dass der vegan-vege­ta­ri­sche Teil schnel­ler leer­ge­ges­sen ist als der ›nor­ma­le‹. Denn alle wol­len mal pro­bie­ren und stel­len dann fest: Oh wie lecker. Also, viel­leicht fin­den sich die­ses Jahr doch alle beim gemein­sa­men vege­ta­ri­schen oder vega­nen Festmahl.

 

Die­ser Bei­trag erschien in Aus­ga­be 85 — Win­ter 2019

 

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