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Inter­view
»Eine gesun­de Umwelt ist die Basis für ein gesun­des Leben«

Prof. Dr. Claudia Hornberg ist Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU). Das Gremium berät die Bundesregierung in der Ausrichtung ihrer Umweltpolitik. Im Sommer 2023 veröffentlichte der SRU das Sondergutachten »Umwelt und Gesundheit konsequent zusammen denken«.
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Prof. Dr. Clau­dia Hornberg

 

JT Der SRU ver­tritt die Posi­ti­on, dass die Gesund­heits­di­men­si­on des Umwelt­schut­zes sehr viel stär­ker als bis­her in der Poli­tik zum Tra­gen kom­men sol­le. War­um ist das so wichtig?

 

CH Umwelt­schutz und Gesund­heits­schutz sind eng mit­ein­an­der ver­knüpft; sie sind zwei Sei­ten der­sel­ben Medail­le. Eine gesun­de Umwelt ist die Basis für ein gesun­des Leben. Umwelt­be­las­tun­gen wie Luft­ver­schmut­zung, Lärm und Hit­ze haben nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Gesund­heit. Beson­ders wich­tig ist mir dabei das The­ma Umwelt­ge­rech­tig­keit: Umwelt­be­las­tun­gen sind vor allem in Städ­ten ungleich ver­teilt und tref­fen oft Men­schen in sozi­al benach­tei­lig­ten Vier­teln beson­ders stark. Der Kli­ma­wan­del ver­schärft gesund­heit­li­che Risi­ken zusätz­lich. Umwelt­schutz ist daher auch Gesundheitsschutz.

 

Gera­de in der Stadt bie­tet die Natur vie­le Vor­tei­le. Grün­flä­chen und städ­ti­sche Gewäs­ser bie­ten nicht nur Erho­lungs­räu­me, son­dern min­dern auch die Belas­tun­gen durch Hit­ze und Stark­re­gen. Es gibt also vie­le posi­ti­ve Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen Umwelt‑, Kli­ma- und Gesund­heits­schutz, die wir nut­zen soll­ten, um posi­ti­ve Ver­än­de­run­gen zu för­dern. Lei­der sind Grün­räu­me nicht für alle Bevöl­ke­rungs­grup­pen in glei­chem Maße ver­füg­bar, was ein wei­te­res Ungleich­ge­wicht darstellt.

 

JT Wel­che Maß­nah­men wären not­wen­dig, um das kon­kret umzusetzen?

 

CH Wir sehen die Lösung in einem ganz­heit­li­chen Ansatz, den wir »Öko­sa­lu­te Poli­tik« nen­nen. Dabei geht es um eine Poli­tik, die Gesund­heit und Umwelt­schutz zusam­men denkt. Das Ziel ist es, eine gesun­de und gerech­te Umwelt für alle zu schaf­fen. Dabei sol­len die Syn­er­gien zwi­schen Natur­schutz und Gesund­heit bes­ser genutzt und Schad­stof­fe in der Umwelt kon­se­quen­ter redu­ziert wer­den. Städ­te soll­ten gesund und umwelt­ge­recht gestal­tet wer­den, was eine enge Zusam­men­ar­beit zwi­schen ver­schie­de­nen Sek­to­ren und eine bes­se­re Inte­gra­ti­on der Maß­nah­men in der Poli­tik erfor­dert. Ein kon­kre­tes Bei­spiel ist die Luft­ver­schmut­zung in Deutsch­land, die wei­ter­hin Krank­hei­ten ver­ur­sacht, ins­be­son­de­re durch Fein­staub. Am höchs­ten ist die Belas­tung an stark befah­re­nen Stra­ßen. Weni­ger Auto­ver­kehr und mehr Fuß- und Rad­ver­kehr sowie öffent­li­cher Nah­ver­kehr wür­de die Luft- und Lärm­be­las­tung redu­zie­ren. Akti­ve Mobi­li­tät — also Rad­fah­ren und Zu-Fuß-Gehen — ist nicht nur gesund, son­dern schützt auch das Klima.

 

JT Wel­che Rol­le kann der öko­lo­gi­sche Land­bau bzw. der Kon­sum von Bio-Pro­duk­ten in die­sem Zusam­men­hang spielen?

 

CH Der öko­lo­gi­sche Land­bau ist in vie­len Berei­chen vor­teil­haft für den Umwelt- und Res­sour­cen­schutz. Er för­dert die Arten­viel­falt, redu­ziert die Stick­stoff­be­las­tung und trägt zum Schutz von Was­ser und Luft bei. In der öko­lo­gi­schen Tier­hal­tung wer­den weni­ger Medi­ka­men­te ein­ge­setzt, was das Risi­ko von Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen ver­rin­gert. Die­se Resis­ten­zen sind ein wach­sen­des Pro­blem auch in der Human­me­di­zin, das zeigt, wie eng die Gesund­heit von Men­schen und Tie­ren ver­knüpft sind. Aller­dings ist der Ertrag pro Flä­che im öko­lo­gi­schen Land­bau nied­ri­ger als im kon­ven­tio­nel­len Anbau. Des­halb ist es umso wich­ti­ger, den Flä­chen­be­darf ins­ge­samt zu redu­zie­ren, bei­spiels­wei­se durch eine stär­ker pflan­zen­ba­sier­te Ernährung.

 

JT In Ihrer Arbeit wei­sen Sie auch auf den Zusam­men­hang zwi­schen indi­vi­du­el­lem Han­deln und poli­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen hin. Wo sehen Sie die Rol­le des Indi­vi­du­ums und wo die der Poli­tik, kon­kret im Hin­blick auf gesun­de Ernäh­rung und eine gesun­de Umwelt?

 

CH Wir alle kön­nen durch die Anpas­sung unse­res Lebens­stils etwas für unse­re Gesund­heit und die Umwelt tun. Aber unser Ver­hal­ten und unse­re Ent­schei­dun­gen wer­den stark vom Umfeld und den ver­füg­ba­ren Ange­bo­ten beein­flusst. Hier kommt die Poli­tik ins Spiel: Sie soll­te dafür sor­gen, dass gesun­de Umwelt­be­din­gun­gen und Ernäh­rungs­um­ge­bun­gen geschaf­fen wer­den. In unse­rem Gut­ach­ten »Poli­tik in der Pflicht: Umwelt­freund­li­ches Ver­hal­ten erleich­tern« schla­gen wir vor, gesun­de und nach­hal­ti­ge Ernäh­rungs­ent­schei­dun­gen ein­fa­cher und attrak­ti­ver zu machen. Pflanz­li­che Lebens­mit­tel spie­len dabei eine zen­tra­le Rol­le, da ihre Pro­duk­ti­on kli­ma­freund­li­cher und flä­chen­scho­nen­der ist. Maß­nah­men wie Preis­an­rei­ze, attrak­ti­ve­re vege­ta­ri­sche Ange­bo­te in Kan­ti­nen, Bil­dungs­in­itia­ti­ven und kla­re Kenn­zeich­nun­gen der Umwelt­wir­kun­gen von Lebens­mit­teln kön­nen hel­fen, den Kon­sum von tie­ri­schen Lebens­mit­teln zu redu­zie­ren. Letzt­lich geht es dar­um, dass Poli­tik und Gesell­schaft gemein­sam an einem Strang zie­hen, um nach­hal­ti­ge und gesun­de Lebens­wei­sen zu fördern.

 

Ähn­lich ist es beim Ver­kehr: Men­schen soll­ten ihr Mobi­li­täts­ver­hal­ten ändern, aber die Poli­tik soll­te öko­lo­gi­sche Optio­nen auch attrak­ti­ver machen — etwas durch einen guten ÖPNV und siche­re Fahr­rad­we­ge. Und wenn wir einen Gar­ten oder eine Ter­ras­se haben, kön­nen wir viel für die Bio­di­ver­si­tät tun. Übri­gens auch ein­fach durch weni­ger Pfle­ge: Was wir als Unord­nung bezeich­nen gibt es in der Natur nicht. Selbst die Rit­zen von Pflas­ter­stei­nen haben ihre eige­ne Lebens­welt — wir müs­sen es nur zulassen.

 

JT Vie­len Dank für das Gespräch!

 


 

 

Die­ser Bei­trag erschien in Aus­ga­be 104 — Herbst 2024

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