Winter, Wärme, Würze — das passt gut zusammen. Entsprechend ist es kein Zufall, dass in den Wintermonaten viel mehr und viel lieber Tee getrunken wird als im Hochsommer. Grund genug, in dieser Jahreszeit über duftende Wintertees zu reden, insbesondere einen persönlichen Liebling der Bioboom-Redaktion: Den Chai und seine kreativen Anverwandten, von denen wir in diesen Wochen täglich mindestens zwei Kannen konsumieren.
Masala Chai: Die Mischung macht’s
Der Chai, den wir im Bio-Regal finden oder immer öfter auch im Café genießen können, hat eigentlich noch einen Vornamen: Masala. Das Wort Chai leitet sich nämlich vom nordchinesischen »Chá« ab, was übersetzt einfach »Tee« bedeutet, wenn man von Chai-Tee reden würde, hieße das »Tee-Tee«. Das Wort »Masala« bedeutet auf Hindi so viel wie Mischung beziehungsweise Gewürzmischung. Während die sogenannten Mono-Tees aus einer Zutat bestehen, sei es schwarzer Tee, grüner Tee, Rooibos oder Kräuter, ist der ursprünglich in Indien beheimatete Masala Chai eine harmonische Kombination aus Gewürzen und einer Prise schwarzem Tee.
Zu den häufig verwendeten Zutaten gehören Ingwer, Kardamom, Zimt, Nelken und schwarzer Pfeffer — alles Gewürze, die durchaus Anklänge an heimische Weihnachtsgewürze haben. Das ist sicherlich auch eine Erklärung dafür, dass Chai bei uns im Winter besonders beliebt ist, während er in Indien rund ums Jahr getrunken wird. Zutaten und Mischung variieren dabei je nach Region und Rezept, ganz ähnlich wie beim Curry, das ja auch eine Art Masala ist.
Traditionell: Mörsern und köcheln
Einen traditionellen Masala Chai zu kochen, ist nicht schwierig, aber braucht ein bisschen Zeit: Die Gewürze werden zerkleinert und mit heißem Wasser, in manchen Rezepten auch direkt mit Milch, je nach Geschmack wenige Minuten bis zu einer halben Stunde geköchelt, die letzten Minuten kommt noch schwarzer Tee dazu (und Zucker: traditioneller Chai ist süß). Im Westen verbreitete sich Chai durch das Interesse an neuen Küchen und die ersten indischen Restaurants, vor allem aber durch die Alternativbewegung und ihr Interesse an Meditation, Indien etc. — kein Wunder, dass Chai bereits in den Regalen der ersten Bio-Läden stand und »Yogi-Tee« für viele Menschen hierzulande fast zum Synonym für Chai wurde.
Freistil: Erlaubt ist, was gefällt
Angesichts des menschlichen Grundbedürfnisses nach Abwechslung entstanden aus dem klassischen Chai jede Menge Varianten: Mit Schwarztee, Grüntee oder Rooibos-Tee. Ganz ohne Tees, nur aus Gewürzen. Mit und ohne Süßholz, in ganz individuellen Mischungsverhältnissen. Ist das noch Chai? Für Purist:innen vielleicht nicht, doch letztlich: Masala Chai heißt eben einfach »Gemischter Tee«. Eine weitere — typisch westliche — Variante, die sich schnell verbreitete und heute nicht nur bei Gewürztees den Löwenanteil des Umsatzes ausmacht: Schnell wurde der Chai auch in Teebeutel gepackt. So lässt sich das leckere Heißgetränk ganz unkompliziert zwischendurch, zum Beispiel am Arbeitsplatz genießen. Na klar, das ist nicht ganz dasselbe. Aber wenn die im Beutel fein zerkleinerten Gewürze mit kochendem Wasser aufgegossen werden und in Ruhe ziehen dürfen, ist das Resultat ebenfalls aromatisch lecker.
Angesichts des menschlichen Grundbedürfnisses nach Abwechslung entstanden aus dem klassischen Chai jede Menge Varianten: Mit Schwarztee, Grüntee oder Rooibos-Tee …
Jede Menge Zucker, wenig Würze: Chai goes Convenience
Nicht genug, Chai als komfortablen Tee im Aufgussbeutel anzubieten, der Geschmack der Chai-Gewürzmischung kam so gut an, dass sie als Instant-Chaipulver von der konventionellen Lebensmittelindustrie noch bequemer gemacht wurde. »Beim Chai Latte handelt es sich um eine Mischung aus Zuckerarten, Pflanzenfett, Milchpulver, Schwarztee-Extrakt — oft nur wenige Prozent — Aromen, Stabilisatoren, Gewürze wie Zimt und Salz«, sagt Annegret Hager vom VerbraucherService Bayern über die Instantprodukte.
Chai als Trend: Dirty, Iced, Latte
Wenn Kaffee mit aufgeschäumter Milch lecker ist, dann funktioniert das auch mit Chai, oder? Richtig, wie der Aufstieg des Chai Latte in urbanen Hipster-Coffee-Shops beweist. Eigentlich eine super Idee, doch leider oft mit Instant-Lösungen und viel zu süß umgesetzt. Im Sommer gibt’s den Chai Latte dann als »Iced« Variante —wie der Eiskaffee eine genuin westliche Erfindung mit Zeug zum Klassiker. Und da wäre noch der Dirty Chai Latte, das neueste Trend-Getränk mit dem Gewürztee: »Schmutzig« macht ihn ein ordentlicher Schuss Espresso, mit dem das von Haus aus koffeinfreie Getränk zum Muntermacher wird. Laut Legende entstand das Trendgetränk durch Zufall, als ein Barista versehentlich einen Espresso in einen Chai Latte kippte. Der Gast wollte das Getränk trotzdem probieren und war begeistert.
Selbstgemacht genießen
Lust auf Chai Latte oder Dirty Chai bekommen? Es muss nicht immer der Coffee-Shop sein. Wer auf Selbermachen setzt, spart dabei Geld und hat vor allem die volle Kontrolle über die Zutaten: Ob lose oder Beutel, serviert doch einfach mal einen Chai mit aufgeschäumter Milch, tut einen Schuss Espresso oder starken Kaffee dazu und genießt ein bisschen Extra im Alltag. »Bei der Selbstzubereitung mit Teeaufguss, Milch oder Ersatzmilch sowie Süßungsmitteln habe ich die individuelle Mischung je nach Geschmack selbst in der Hand«, betont Hager. Zucker braucht es im Chai übrigens nicht immer: »Ein süßer Geschmack kann auch kalorienfrei mit Hilfe von Süßholzwurzel und Steviablättern erzielt werden«, fügt die Expertin hinzu.
Bei Zutaten auf Bio setzen
Im Bio-Laden gibt es übrigens nicht nur eine Riesenauswahl an Chai, Gewürztee und Co. Hier könnt Ihr auch sichergehen, dass wirklich alle Bestandteile aus kontrolliert-biologischem Anbau stammen. Das wiederum bedeutet, dass beim Anbau keine Kunstdünger und keine Pestizide eingesetzt werden, dass die Pflanzen nicht aus riesigen Monokulturen stammen. Die Zutaten werden streng auf Rückstände kontrolliert. Oft sind die Zutaten auch Fairtrade-zertifiziert — eine gute Lösung für Genuss ohne Nachgeschmack. Und: Bio-Tees werden nicht mit künstlichen Aromen geschönt.
Gewürz und Tee: Nicht nur Chai
Duftende Kombinationen von Tee und Gewürz gibt es natürlich nicht nur in Indien: In China, der Heimat des »Chá« wird grüner oder schwarzer Tee mit Jasmin- oder Rosenblättern verfeinert. In vielen nordafrikanischen und vorderasiatischen Ländern wird Tee mit frischer Minze und Zucker getrunken. Und überhaupt: Einig sind wir uns wohl alle, dass »Tee« schwarzer, grüner und weißer Tee aus den Blättern der Pflanze Camellia sinensis ist. Aber eigentlich ist die Definition, was Tee und was Gewürz ist, fließend: Das wiederum könnte erklären, warum Chai hierzulande so mühelos heimisch werden konnte und gerade die Bio-Teehersteller immer wieder inspiriert: Nicht nur »normaler« und Rooibos-Tee, auch Früchtetee geht mit den klassischen »Weihnachts-« oder Chai-Gewürzen Allianzen ein, die ans Christkindl und Kaminknistern statt an Jugendherberge denken lassen. Und was ist mit Thymian oder Salbei, Pfefferminze oder Kümmel? So gesehen sind auch unsere heimischen Kräutertees in gewisser Hinsicht Gewürztees — aber das würde einen neuen Artikel füllen.
→ Nadine Pinezits