»Wie soll das gehen, wenn Bäume auf dem Acker stehen?« Die Frage, die vor wenigen Monaten Titel einer Online-Veranstaltung des Anbauverbandes Naturland war, treibt immer mehr landwirtschaftliche Betriebe um. Denn eins ist klar: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Die Sommer werden immer heißer und trockener. Regnet es doch einmal, dann oft so heftig, dass das Wasser in dem ausgedörrten Boden nicht richtig einsickert, sondern abfließt und dabei auch noch fruchtbare Erde wegschwemmt. Felder ausreichend zu bewässern ist aufwändig und auch die Grundwasserspiegel sinken vielerorts bereits.
Konzepte für die Landwirtschaft der Zukunft gefragt
Die Folge: Getreide und Gemüse leiden unter den Wetterextremen, sie wachsen nicht optimal oder vertrocknen ganz. Für Bäuerinnen und Bauern bedeutet das, dass Ernteverluste oder Missernten immer wahrscheinlicher werden. Gefragt sind Konzepte, mit denen sich die Landwirtschaft an den Klimawandel anpassen kann – und im Idealfall auch gleich selber zum Klimaschutz beiträgt, denn immerhin acht Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen stammen aus der Landwirtschaft. Die Agroforstwirtschaft bietet einen vielversprechenden Lösungsansatz.
Agroforst: Kombination aus Innovation und Rückbesinnung
Bäume und Sträucher in die landwirtschaftliche Nutzung der Fläche einzubinden, das ist eigentlich nichts Neues, sondern wurde schon seit dem Mittelalter praktiziert. Eine Streuobstwiese, wo unter Apfel‑, Birn‑, Pflaumen- oder Kirschbäumen Schafe grasten und Hühner scharrten, oder Hutewälder, in denen die Schweine herumwühlten und sich von Eicheln und Bucheckern ernährten, sind Beispiele für das, was man heute Agroforstwirtschaft nennt. Auch die in Norddeutschland früher weit verbreiteten Heckenlandschaften fallen darunter: Die eng gepflanzten Sträucher dienten als sichtbare Grenze oder als Schutzwall, damit Nachbars Vieh nicht aufs Feld gelangte und Schaden anrichtete.
Industrielle Landwirtschaft: Bäume werden Störfaktor
Mit der Flurbereinigung in den 1960er und ‑70er Jahren kam der Strukturwandel hin zu einer intensiven Landwirtschaft, die Felder wurden größer, sie wurden mit immer riesigeren Maschinen bearbeitet, Hecken und Bäume mussten weichen: Es entstand das, was wir heute »Kultursteppe« nennen. Erst nach dem Ausräumen der Landschaften kam langsam die Erkenntnis, dass Hecken, Bäume und Gehölzstreifen wichtige Lebensräume für Insekten und Kleintiere sind, dass sie die Erosion bremsen, die Wasserbindung im Boden fördern und zur Bindung von CO2 im Boden beitragen – gute Gründe, sie in die Landwirtschaft zurückzuholen.
Bisher: Gute Gründe, wenig Unterstützung
Bislang sind es nur wenige Betriebe, die sich hier engagieren, meist in Kombination mit der Haltung von Tieren: Hühner in Freilandhaltung brauchen Schutz vor Greifvögeln, Kühe auf der Weide schattige Plätze, wenn die Sonne vom Himmel brennt. Das Problem: Für Agroforst-Vorhaben gab es bisher in Deutschland keine entsprechende Förderung. Im Gegenteil: Landwirt:innen hierzulande mussten damit rechnen , dass entsprechende Pflanzungen zu »geschützten Landschaftselementen« erklärt wurden und damit quasi ewiges Bleiberecht verordnet bekamen. Bäume oder Sträucher nicht wieder fällen oder entfernen zu dürfen, um zum Beispiel das Holz zu nutzen (ein fester Bestandteil im Agroforst), wirkte und wirkt natürlich eher abschreckend.
Ab 2023: Finanzhilfen für Agroforstwirtschaft – aber kompliziert
Das soll sich nun ändern. Ab 2023 – mit Beginn der neuen Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU – hat auch Deutschland Finanzhilfen für die Agroforstwirtschaft eingeplant. Über Direktzahlungen gibt es jährliche Förderungen für bereits angelegte Gehölzstreifen oder verstreut stehende Bäume, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Die nicht unerheblichen Investitionen für Neuanpflanzungen dagegen können und sollen über entsprechende Programme der Bundes-länder finanziert werden. Bis 2027, so die Vision, sollen dann in Deutschland 200.000 Hektar Acker- oder Dauergrünland mit Bäumen oder Sträuchern bestückt sein.
Es muss sich rechnen
Das kann natürlich nur funktionieren, wenn sich möglichst viele Landwirt:innen für die Agroforstwirtschaft interessieren und mitmachen. Um das Umdenken und Umlenken attraktiver zu machen, dürfen die geförderten Gehölze wirtschaftlich genutzt werden – sei es zur Holzgewinnung oder zur Nahrungsmittelproduktion. Denn auch wenn Betriebe gerne und aus Überzeugung mehr für Klimaschutz und Klimaanpassung tun wollen, so muss sich ihr Handeln doch auch wirtschaftlich rechnen. Möglichkeiten gibt es viele: Schnell wachsende Bäume wie Pappeln oder Weiden können als Holzhackschnitzel, Material für die Zellstoffindustrie oder Einstreu für den Stall verarbeitet werden. Buchen und Eichen wachsen langsam, können aber perspektivisch als Edelhölzer verkauft werden. Die Nachfrage nach heimischen Nüssen und Maronen könnte durch Walnussbäume, Haseln und Esskas-tanien befriedigt werden. Äpfel, Birnen, Pflaumen oder Pfirsiche, aber auch Sträucher wie Aronia‑, Johannis‑, Brom‑, Blau- und Himbeeren sind auch ökonomisch interessante Partner auf dem Acker.
Mehr Unterstützung gefragt
»Das Interesse ist auf jeden Fall da, aber es braucht deutlich mehr finanzielle Anreize und Investitionshilfen«, sagt Daniel Fischer. Er ist Agroforstexperte bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), in der sich ökologisch und konventionell wirtschaftende Höfe zusammengeschlossen haben, die für eine zukunftsfähige Landwirtschaft eintreten. Fischer kritisiert die Förderhöhe von 60 Euro pro Hektar, denn bezahlt werde nur die tatsächlich bepflanzte Gehölzfläche. »Wenn ich also auf einem Zehntel der Fläche Bäume und Sträucher habe, bekomme ich in Wirklichkeit nur 6 Euro.« Zudem fehlen in den meisten Bundesländern noch die Förderprogramme für die nicht unerheblichen Anfangskosten: Bäume und Sträucher sind schließlich nicht gerade billig. Nach Angaben des Deutschen Fachverbands für Agroforstwirtschaft (DeFAF) gibt es bislang nur in Bayern konkrete Regelungen.
»Kleine Höfe klar benachteiligt«
Noch mehr aber ärgert Fischer die vorgesehene Abstandsregelung: Zu den Bedingungen für eine Förderung zählt, dass es mindestens zwei Gehölzstreifen auf der landwirtschaftlichen Fläche geben muss, die jeweils mindestens drei Meter breit sein sollen. Zwischen den beiden Streifen und zu den Nachbarflächen muss ein Mindestabstand von 20 Metern eingehalten werden. »Damit werden kleine Höfe klar benachteiligt. Vorgeschrieben wäre so, dass die Fläche mindestens 66 Meter breit sein muss – 20 Meter Abstand zum Nachbarn, 3 Meter Gehölz, 20 Meter Abstand, 3 Meter Gehölz, 20 Meter zum nächsten Nachbarn«, rechnet Fischer vor. Die AbL hat das Bundeslandwirtschaftsministerium und die Agrarminister der Bundesländer aufgefordert, hier im Nationalen Strategieplan entsprechend nachzubessern.
»Ein sinnvolles Instrument«
Gerald Wehde, beim Anbauverband Bioland zuständig für Agrarpolitik, unterstützt die Kritik voll und ganz. »Die Förderung bestehender Anlagen ist absolut unzureichend und die Abstandsregelung für kleine Betriebe nicht umsetzbar.« Bioland merke zwar, dass viele Mitgliedsbetriebe interessiert sind und hat für den steigenden Beratungsbedarf extra eine neue Stelle geschaffen. »Für uns ist das ein wichtiges Zukunftsthema. Die Agroforstwirtschaft ist ein sinnvolles Instrument, um auf die Herausforderungen der Zeit einzugehen und positiven Einfluss auf die Klima- und die Wasserkrise zu nehmen.« Doch von der Politik wünsche er sich deutlich mehr Unterstützung: »Mehrere mindestens drei Meter breite Baum- und Strauchstreifen anzulegen, ist für landwirtschaftliche Betriebe nicht nur eine Entscheidung von langfristiger Bedeutung und ein großer Aufwand, sondern kostet auch viel Geld. Da braucht es schon bessere finanzielle Unterstützung und Anreize. Die Bundesländer sind jetzt in der Pflicht, Neuanlagen attraktiv zu fördern.« Wenn etwas verändert werden solle, müsse man die Betriebe zum Ausprobieren motivieren.
»Konventionelle Betriebe mitnehmen«
Und zwar nicht nur die »Bios«: »Agroforst nur mit Bio-Betrieben zu verbinden, wäre falsch«, findet Lukas Mischnick, Berater beim Anbauverband Demeter, »schließlich werden bisher nur rund elf Prozent der deutschen Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet. Die konventionellen Betriebe müssen mitgenommen werden, damit es stetige Fortschritte beim Klimaschutz und der Biodiversität gibt.« Viele Demeter-Höfe gingen schon freiwillig und ohne Förderung mit gutem Beispiel voran, aber vor allem in den ausgeräumten Landschaften mit großen konventionell bewirtschafteten Ackerflächen könne die Agroforstwirtschaft viel bewirken. Auch der Demeter-Berater hält aber ebenfalls den Fördersatz für deutlich zu niedrig: »Weniger Zielflächen und eine höhere finanzielle Förderung wäre besser und realistischer gewesen.« Außerdem gibt Mischnick zu bedenken, dass bei einer starken Nachfrage auch das Pflanzgut knapp werden könnte: »Wir brauchen viele klima- und standortangepasste Bäume und Sträucher.« Vor allem im ökologischen Bereich gebe es nicht ausreichend Bio-Baumschulen.
Bis die ersten Beeren, Nüsse oder Früchte aus Agroforstwirtschaft im (Bio-)Handel zu finden sein werden, wird wohl noch einige Zeit vergehen. »Bislang fallen nur kleine Mengen an und die gehen meist in die Direktvermarktung, also in Hofläden oder Öko-Kisten«, sagt Gerald Wehde von Bioland. Das werde auch sicher erst einmal so bleiben: »Selbst wenn viele Betriebe auf Agroforstwirtschaft umstellen, werden viele unterschiedliche Produkte geerntet werden. Um den Handel zu beliefern, müssen aber größere Mengen zusammenkommen.« Auch ein Siegel für Betriebe, die Agroforst betreiben, ist erst einmal nicht geplant. Aber vielleicht sieht das in zehn bis 15 Jahren anders aus, wenn die heute noch kleinen Bäumchen oder zarten Sträucher eine ordentliche Ernte bringen.
Spannendes Thema? Wie Agroforst in der Praxis funktioniert erfährst du hier
→ Bio-Bauernhof Frey im Ortstermin
→ Birgit Schumacher