Unter dem Dach des gemeinnützigen Vereins Kultursaat haben sich Züchterinnen und Züchter zusammengeschlossen, um der Dominanz globaler Saatgut-Multis Alternativen entgegenzusetzen.
Einmal ist keinmal
Nicht nur bei Wildpflanzen sondern auch bei Nutzpflanzen ist die Artenvielfalt bedroht. Die Macht über das Saatgut befindet sich zu großen Teilen in Händen weniger global agierender Agro-Konzerne. Durch Entwicklung von Hybriden schaffen sie Abhängigkeit, denn diese »Einmal-Sorten« sind im Nachbau nicht stabil und müssen jedes Jahr neu zugekauft werden. Die gehandelten Sorten werden häufig allein auf Ertragsleistung und Makellosigkeit gezüchtet.
Die Züchtung findet nicht auf dem Acker, sondern im Labor statt: Gentechnik und pollensterile CMS-Hybriden sind nur die Spitze des Eisbergs. Eine Handvoll engagierter biologisch-dynamischer Gärtnerinnen und Gärtner erkannte schon früh, dass die Sortenfrage von zentraler Bedeutung für den Ökologischen Landbau ist. Aus dieser Zusammenarbeit entstand 1994 Kultursaat e. V. mit dem Ziel, geschmacksstarke, inhaltsstoffreiche, charaktervolle und vor allem samenfeste, d.h. nachbaufähige Sorten mit Eignung für den Öko-Erwerbsanbau sowohl zu erhalten als auch neu zu züchten.
Saatgut für alle
Rodelika, die Möhre, Kohlrabi Fridolin, Gurke Helena: mehr als 90 Gemüsesorten wurden mittlerweile ins Sortenregister eingetragen. Auf Ausschließlichkeitsrechte wie den gesetzlichen Sortenschutz oder Patente wird dabei ausdrücklich verzichtet, die Pflanzen werden nicht als Eigentum verstanden. »Saatgut ist Kulturgut, es gehört der gesamten Menschheit«, erläutert Kultursaat-Geschäftsführer Michael Fleck. Deshalb ist es ihm wichtig, dass das Thema eine noch breitere Öffentlichkeit erreicht. »Hier geht es ja nicht um die Bio-Branche allein.«
Die Artenvielfalt unserer Nutzpflanzen zu erhalten, das ist von zentraler Wichtigkeit für die Ernährungssicherheit aller Menschen auf unserem gemeinsamen Planeten‹, ist Michael Fleck überzeugt. Zumindest die Bio-Branche würdigt die hochmotivierte Arbeit des Vereins. Im September 2019 wurde Kultursaat e. V. mit dem Förderpreis der BioMessen »Mehr Bio für morgen« ausgezeichnet. Mit ihm würdigen die Fachmessen Leuchtturmprojekte, die in eine Ökologischere Zukunft weisen.
Was wir tun können
Und was können Privatpersonen tun, wenn sie die Arbeit von Kultursaat unterstützen möchten? »Der unabhängigen Ökozüchtung hilft es bereits, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher beim Gemüsekauf fragen, welche Sorten eingesetzt werden und klar machen, dass ihnen das nicht egal ist«, erklärt Michael Fleck. Wer selber einen Garten hat, kann Kultursaat-Sorten anbauen (erhältlich zum Beispiel bei der Bingenheimer Saatgut AG). Wer mehr tun will, kann für den Verein spenden oder Mitglied werden (beides direkt über die Website).
Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 85 — Winter 2019