Popmusik schallt durch die mit Neonlicht erhellten Gänge des Getränkelagers. Kisten mit Bio-Säften stapeln sich bis unter die Decke. Gelbe Hubstapler warten auf ihren nächsten Einsatz. »Achtung!«, ruft ein Mitarbeiter, als er einen mit Pappkartons beladenen Rollbehälter ins angrenzende Trockenlager schiebt. Dort stapeln sich die Produkte: Hülsenfrüchte, Mehle, Nudeln, Kräuter. Mittendrin steht Jonathan Mesecke, Geschäftsführer des Bio-Großhändlers Naturkost Elkershausen. In blauer Sweatjacke, schwarzen Jeans und Wollmütze wirkt er so pragmatisch wie seine Mission: »Hinter den Waren stecken Menschen, Prozesse und Werte, die weit über reines Wirtschaften hinausgehen.« Sein Ziel: Noch mehr Unternehmen für regionale Bio-Produkte begeistern.
Die Marktbeschicker
Bio-Großhandel wie Naturkost Elkershausen sind zentrale Akteure der Biobranche. In Deutschland gibt es etwa 25 Bio-Großhändler, die bundesweit für die Verteilung von Bio-Produkten sorgen. »Wir sind der unsichtbare Part in der Kette«, sagt Mesecke. »Man sieht die Bio-Läden, man kennt die Bauernhöfe — aber ohne uns könnten viele Produkte ihren Weg von den Feldern in die Regale nicht finden.«
Die weitläufigen Hallen von Naturkost Elkershausen sind wie ein pulsierender Mikrokosmos der Bio-Lebensmittelbranche. Hier wird die logistische Leistung sichtbar, die hinter der Versorgung des Handels mitBio-Produkten steckt. Täglich werden Tausende von Artikeln gepackt und auf den Weg gebracht. »Unser Sortiment umfasst rund 14.000 Artikel aus allen Sortimentsbereichen von frischen Obst- und Gemüsesorten bis hin zu Molkereiprodukten und Trockenwaren«, erklärt Mesecke, während er an Kisten voller Äpfel vorbeieilt. »Obst und Gemüse ist unsere Kernkompetenz.« Mit vielen Lieferant:innen und Erzeugerbetrieben arbeiten sie schon seit Jahrzehnten zusammen.
Hier wird die logistische Leistung sichtbar, die hinter der Versorgung des Handels mit Bio-Produkten steckt. Täglich werden Tausende von Artikeln gepackt und auf den Weg gebracht.
Vom Babybrei zum Großhandel
Dieser enge Kontakt zu den beliefernden Betrieben und das klare Bekenntnis zu nachhaltigen Werten haben bei Naturkost Elkershausen eine lange Tradition. Jonathan Mesecke, der Sohn des Firmengründers Hermann Heldberg, kennt die Wurzeln des Unternehmens genau. »Ich bin ein Kind der Bio-Branche«, sagt er lachend. Seine Eltern lebten in den 1970er-Jahren in einer Land-Wohngemeinschaft. »Sie hatten dort einen großen Gemüsegarten und haben sich mehr oder weniger selbst versorgt.« Die Geburt von Meseckes älterer Schwester 1978 markierte den Startpunkt des heutigen Großhandels. »Sie sollte mit gesundem Getreidebrei ernährt werden. Also fuhr mein Vater zu Demeter-Höfen und kaufte dort das Getreide.« Freunde und Bekannte schlossen sich an. »Damals war die Nachfrage nach Bio-Produkten minimal und der Handel beschränkte sich fast ausschließlich auf reine Bio-Läden«, sagt Mesecke. In den letzten Jahrzehnten hat sich das gründlich geändert. »Der Bio-Markt hat sich deutlich weiterentwickelt. Wir bedienen heute rund 1.300 Kunden.« Rund ein Drittel davon sind Bio-Fachgeschäfte, dazu kommen ganz unterschiedliche Einrichtungen wie Restaurants, Kantinen, Schwimmbäder, Kindergärten oder Dorfläden. Der Geschäftsführer zieht eine grüne Plastikkiste aus dem Regal und zeig eine Packung Dinkelmehl: »Sogar eine Eigenmarke haben wir, deren Markenkern die Transparenz ist.«
Mesecke ist vor neun Jahren in das Familienunternehmen zurückgekehrt, seit nunmehr fünf Jahren leitet er die Geschäfte. »Ich habe hier schon als Jugendlicher in den Schulferien gearbeitet und später immer wieder ausgeholfen. Meine Ausbildung absolvierte ich aber bei einem anderen Naturkost-Großhändler.« Sein Vater hat sich inzwischen aus dem Geschäft zurückgezogen — der Generationswechsel ist vollzogen. »Aber wir halten bewusst an unserem klaren Profil fest. Ich bin davon überzeugt, dass uns unsere traditionellen Werte in die Zukunft tragen.« Als Bio-Großhandel übernehme das Unternehmen Verantwortung für kommende Generationen. »Mit unserer alltäglichen Arbeit setzen wir uns für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und eine gesunde, zukunftsfähige Ernährung ein.«
Gelebte Werte im Arbeitsalltag
Wer bei Elkershausen anfängt, sollte die Vision des Unternehmens teilen. »Bei uns wird Bio nicht nur gehandelt, sondern auch gelebt — mit Menschen, die hinter den Werten stehen«, betont Mesecke. Heute beschäftigt Naturkost Elkershausen knapp 180 Mitarbeitende, davon etwa 80 in der Lagerlogistik und 30 im Fuhrpark. »Der Rest kümmert sich um den Einkauf und die Verwaltung.« Besonders stolz ist das Unternehmen auf seine FairBio-Zertifizierung, die hohe Standards für fairen Handel in allen Bereichen sicherstellt. Das Unternehmen legt Wert auf soziale Gerechtigkeit. »Das spiegelt sich auch in einer geringen Lohnspreizung wider«, sagt Mesecke. So verwundert es nicht, dass viele Menschen seit Jahrzehnten im Unternehmen arbeiten. Ein Beispiel ist Michael Oberhoff, 59, der seit 25 Jahren im Betrieb arbeitet und gerade im Trockenlager nach dem Rechten sieht. »Obi ist die gute Seele des Hauses«, sagt Mesecke. Oberhoff selbst nennt sich »Hausmeister«, weil er bei allen Problemen im Haus zur Stelle ist. Als Betriebsratsvorsitzender, Kommissionierer und Ansprechpartner für alle trägt er viele Hüte. Auf das Unternehmen lässt er nichts kommen. »Was Naturkost Elkershausen auszeichnet, ist die Tarifanerkennung. Alle bekommen faire Löhne sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld.« Und so bleiben viele Kolleg:innen bis zur Rente bei Naturkost Elkershausen, entsprechend hoch ist der Altersdurchschnitt im Team. »Wir kommen so langsam in die Verrentungsphase«, sagt Mesecke. Die Zahl steige jedes Jahr an. »Die Babyboomer hören jetzt langsam auf. Nun müssen wir den Wissenstransfer gut hinbekommen und das Team verjüngen.« Oberhoff nickt zustimmend. »Wir haben wenig Platz für Jüngere, das muss sich ändern«, sagt er. Auch Quereinsteiger:innen seien willkommen, so Mesecke: »Wenn sich jemand mit unserer Vision identifiziert und ein Faible für Bio und Landwirtschaft mitbringt, passt das meistens sehr gut.« Trotzdem bleibe es eine Herausforderung, gut ausgebildeten und motivierten Nachwuchs zu finden.
»Was Naturkost Elkershausen auszeichnet, ist die Tarifanerkennung. Alle bekommen faire Löhne sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld.« Und so bleiben viele Kolleg:innen bis zur Rente bei Naturkost Elkershausen.
Ein Ort zum Bleiben
Aktuell absolvieren acht junge Menschen ihre Ausbildung bei Naturkost Elkershausen. Einer von ihnen ist Tohbi Rodolphe, 28, der sich zum Fachlageristen ausbilden lässt. »Als ich mich hier vorgestellt habe, fiel mir sofort auf, wie international das Team ist. Das hat mir gleich gefallen.« Er lobt das faire Arbeitsklima und die gute Kommunikation innerhalb des Teams. »Unsere Arbeit ist körperlich anstrengend, trotzdem komme ich jeden Tag gerne hierher.« Bald steht Rodolphe vor seiner letzten Prüfung. »Nach meinem Abschluss würde ich gerne hierbleiben«, sagt er. Seine Chancen stehen gut. Rodolphe schnappt sich seinen Thermobecher und stempelt sich aus. »Jetzt mache ich erstmal Pause«, sagt er mit einem Lächeln. In der lichtdurchfluteten Kantine steht ein Kühlschrank mit einer gläsernen Tür. Alles, was darin liegt, dürfen sich die Mitarbeitenden kostenlos nehmen — meist Lebensmittel, die übrig geblieben sind und noch verwertet werden sollen. Vegane Wurst, Käse, Marmelade, Soja-Joghurt und Milchflaschen reihen sich in den Fächern, auf einem Holzbrett daneben liegt ein angeschnittenes Brot. Für die Auszubildenden ist nicht nur das Frühstück, sondern auch das Mittagessen kostenlos — ein wertschätzendes Angebot, das gut ankommt. Alle anderen zahlen 4,50 Euro für das frisch gekochte Bio-Essen. »Ein fairer Preis«, findet der Chef, der großen Wert darauf legt, dass sich seine Mitarbeitenden wohlfühlen. Es wird geduzt und es ist immer Zeit für ein paar freundliche Worte. »Im Alltag gelebte Zugewandtheit«, nennt er das. Fast alle Produkte im Kühlschrank kommen aus der Region — das ist im Unternehmen generell ein wichtiger Punkt.
»Wir fokussieren uns auf kleine und mittelständische Betriebe«, erklärt Mesecke. »Regionale Ware hat fast immer Vorrang.« Das sei einer der größten Unterschiede zum konventionellen Handel, wo häufig der günstigste Preis entscheidet.
Regionalität als Leitprinzip
»Wir fokussieren uns auf kleine und mittelständische Betriebe«, erklärt Mesecke. »Regionale Ware hat fast immer Vorrang.« Das sei einer der größten Unterschiede zum konventionellen Handel, wo häufig der günstigste Preis entscheidet. »Da machen italienische Äpfel plötzlich den deutschen Äpfeln Konkurrenz, und unsere Bauern bleiben auf ihrer Ernte sitzen — oder müssen sie für einen Appel und ein Ei verkaufen.« Solche Marktmechanismen lehnt Naturkost Elkershausen ab. »Unsere Betriebe verlassen sich darauf, dass wir ihnen die Ware abnehmen. Deshalb machen wir immer Anbauabsprachen.« Und die halte sein Unternehmen zu fast 100 Prozent ein. »So unterstützen wir auch den Erhalt von ländlichen Strukturen und Arbeitsplätzen.«
Meseckes Bekenntnis zu regionalen Produkten zeigt sich nicht nur in der Auswahl der Waren, sondern auch in der Logistik von Naturkost Elkershausen. An der Rampe stehen zwei Lastwagen aus dem hauseigenen Fuhrpark, die gerade beladen werden. Dreizehn Lastwagen hat das Unternehmen. »Sie fahren fast immer nachts.« Das Liefergebiet des Großhändlers erstreckt sich von den ostfriesischen Inseln bis in den Speckgürtel Frankfurts. Doch auch hier liegt der Schwerpunkt auf der Region um Göttingen: Der Großteil der Waren wird in einem Umkreis von rund 150 Kilometer ausgeliefert. »So definiere ich persönlich Regionalität«, sagt Mesecke. »Unser Liefergebiet sieht aus wie ein Schlauch. Schneidet man die Seiten ab und hängt oben und unten ein bisschen dran, passt es ziemlich genau.« Diese Ausrichtung auf Regionalität hat sich gerade in schwierigen Zeiten als Vorteil erwiesen. Während der Corona-Pandemie konnte das Unternehmen von der gestiegenen Nachfrage nach regionalen Bio-Produkten profitieren. »Von 45 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2019 stiegen wir in den Hochzeiten der Pandemie auf 56 Millionen Euro«, berichtet Mesecke. Danach folgte jedoch ein spürbarer Einbruch. »Aber wir haben uns gut gefangen, neue Kund:innen gewonnen und liegen jetzt wieder bei 52 Millionen.« Besonders in der Gastronomie konnte Naturkost Elkershausen neue Märkte erschließen. »Bei Kindergärten hatten wir sogar Wachstumsraten von über 50 Prozent.« Auch das ein oder andere Studentenwerk und kleinere Hotelketten konnte das Unternehmen neu für sich gewinnen.
Mesecke blickt zuversichtlich in die Zukunft. Der Bio-Fachhandel bleibe eine Nische. »Aber wir sehen Entwicklungspotenzial und glauben fest daran, dass es ihn auch übermorgen noch geben wird.«
→ naturkost-elkershausen.de
→ Kristin Kasten