Rund 95,8 Prozent der Deutschen grillen gerne, teilt das Portal statista.de wenig überraschend mit. Deckungsgleich mit der subjektiven Wahrnehmung in diesem Frühsommer sind auch weitere Ergebnisse des Statistikportals: Das beliebteste Grillgut sind unangetastet Fleisch und Wurst, gegrillt wird am liebsten ganz klassisch mit Holzkohle.
Immerhin: Das Klischee, dass die Männer am Grill stehen und die Frauen die Beilagen zubereiten, scheint nicht (mehr) zu stimmen: Ihm stimmten nur 35 Prozent der Befragten zu. Fest steht: Grillen ist in der wärmeren Jahreshälfte (ja, wir wissen, es gibt auch Hardcore-Weihnachtsgriller) so etwas wie ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Grund genug, zu schauen, ob und wie das auch nachhaltig(er) geht.
Drauf – Pflanze und Fleisch
Egal, wie kompetent die Grillmeisterinnen oder ‑meister sind, oder wie edel das Modell: Billigfleisch auf dem Rost ist kein Genuss für Mensch und Umwelt. Also, lieber weniger und Bio. Immer häufiger scharen sich Vegetarier und Veganer um den Grill. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern eröffnet allen Beteiligten neue kulinarische Möglichkeiten – ob Käse, Fleischalternative aus Soja oder Lupine, Gemüse oder sogar Obst: Es gibt kaum etwas, das sich nicht grillen ließe – in Ihrem Bio-Laden gibt’s reichlich Inspiration, ebenso wie Ketchup, Bier, Grillsoße und alles, was man sonst noch so für ein Grillgelage benötigt – eigentlich klar, deshalb machen wir es kurz mit dem ›drauf‹.
Drunter – ›Illegale Waldzerstörung im Sack‹
Ein paar mehr Worte möchten wir zum Thema ›drunter‹ verlieren: 250.000 Tonnen Grillkohle werden jährlich in Deutschland verbraucht, wie der World Wildlife Fund (WWF) in seiner 2018 veröffentlichten Marktanalyse Grillkohle feststellt. Nur ungefähr 40.000 Tonnen dieser Menge werden in Deutschland hergestellt, der Rest wird importiert: Und zwar aus Ländern wie Paraguay, Nigeria, der Ukraine und Polen (das wiederum unter anderem aus der Ukraine und Nigeria importiert). Das alles sind Länder, die nach Recherchen des WWF von hohen Entwaldungsraten, illegalem Waldeinschlag und Raubbau an den Wäldern geprägt sind. In den vom WWF untersuchten Grillkohlen fand sich unter anderem Tropenholz.
›Die nichtsahnenden Kunden kaufen quasi die illegale Waldzerstörung in 3 kg-Portionen für 1,99 EUR im Sack‹
Um den Import von illegal geschlagenem Holz nach Europa einzudämmen, hat die EU zwar eine Handelsverordnung erlassen. Das Problem: Diese Verordnung gilt nicht für Holzkohle. Das bedeutet, dass importierte Holzkohle in Europa nur um- oder abgefüllt werden muss, um als ›europäisch‹ durchzugehen. Transparenz und Kontrolle: Fehlanzeige. Auf vielen Verpackungen in LEH und Discounter finden sich keine oder nur äußerst vage Angaben zur Herkunft des Holzes. ›Die nichtsahnenden Kunden in Deutschland kaufen quasi die illegale Waldzerstörung in 3 kg-Portionen für 1,99 EUR im Sack‹, fassen die Autoren der Analyse beißend zusammen.
Es geht auch anders
Das FSC- oder PEFC-Siegel auf dem Sack sowie eine klare Herkunftsangabe bieten wenigstens eine gewisse Gewähr beim Einkauf. Naturland-zertifiziert ist die Grillkohle von Nero: Nero verarbeitet Holz, das im ebenfalls Naturland-zertifizierten Saarbrücker Stadtwald anfällt und für die Möbelproduktion ungeeignet ist. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) empfiehlt die Grill-Briketts OlioBric, die aus den Kernen, Schalen und Fruchtfleischresten, die bei der Oliven-Verarbeitung entstehen, hergestellt werden. Da sie weniger Rauch und Funkenflug entwickeln, sollen sie sich besonders gut für das Grillen auf Terrasse und Balkon eignen, so der NABU.
Weitere Alternativen zur herkömmlichen Holzkohle sind Rebholz (Rebenglut), auch mit Feuermaterial aus Mais (zum Beispiel Maister) oder Kokosnuss (zum Beispiel KoKoKo) lässt sich der Grill beheizen. Bis der deutsche Grillkohle-Markt nachhaltig ausgerichtet ist, wird es angesichts der gewaltigen Mengen, über die wir hier reden, vermutlich noch dauern – da wird es mehr als den Saarbrücker Stadtwald brauchen. Aber irgendjemand muss ja schließlich mal anfangen mit der Nachfrage, oder?
Wenn’s mal feucht ist oder irgendwie nicht funktioniert, sind Grillanzünder hilfreich. Leider beruht ihre brandbeschleunigende Wirkung oft auf Kerosin, Petroleum oder Paraffin – wenig nachhaltig und auch nicht lecker. Nachhaltige Alternativen aus Stroh oder Zellulose erledigen den Job auch und sind immer öfter sogar im Bio-Markt zu haben.
Wenn Bio-Plastik verrottet, wird kein wertvoller Humus daraus. Bestenfalls zerfallen die Kunststoffe wieder in CO2 und Wasser.
Drumherum – Weniger wegwerfen
Einweggrills sind genauso nachhaltig wie der Name schon sagt: Sie werden quasi für den Mülleimer hergestellt. Wenn es wenigstens funktionieren würde … tut es aber nicht wirklich. Die Grill-Community ist sich einig: Der zu geringe Abstand zwischen Grillgut und Kohle führt zum unbeliebten Effekt ›außen verbrannt, innen noch roh› und das schmeckt nicht, da sind sich Fleischesser und Veganer ausnahmsweise einig.
Hinzu kommt, dass die Kohle oft mit Chemikalien, beziehungsweise einem integrierten Grillanzünder versehen ist – die dann direkt ins Gegrillte übergehen. Dass das billige Stück aus eigentlich kostbarem und mit hoher Umweltbelastung hergestelltem Aluminium besteht, kommt erschwerend hinzu. Ein kleiner Klappgrill oder Grilleimer eignen sich besser als treue Begleiter für alle, die mobil grillen möchten.
Mehrweg besser als Bio-Einweg
Apropos mobil grillen: Manchmal ist es schon lästig, Geschirr und Besteck mitzuschleppen, besonders wenn man in größerer Gruppe unterwegs ist. Aber nachhaltiges Einweggeschirr, gibt es das wirklich? Leider sind auch so genannte Bio-Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen ökologisch nicht optimal. Zwar sind sie theoretisch kompostierbar. Da sie aber beim Sortieren von erdölbasierten Kunststoffen nicht zu unterscheiden sind, werden sie auf dem Weg in die Kompostierungsanlage meist aussortiert. Für den heimischen Kompost sind sie ohnehin nicht geeignet, weil sie hohe Temperaturen und lange Zeit zum Verrotten brauchen. Und überhaupt: Kompostieren, das klingt gut. Aber wenn Bio-Plastik verrottet, wird kein wertvoller Humus daraus. Bestenfalls zerfallen die Kunststoffe wieder in CO2 und Wasser.
Aber wie sieht es aus mit Tellern und Bechern aus Pflanzen, zum Beispiel Palmblättern oder Zuckerrohr? Wer partout nicht spülen möchte, ist hier besser bedient, stellte das Magazin Ökotest im vergangenen Juni fest. Doch auch hier stehe eine ressourcen- und energieintensive Herstellung einer relativ kurzen Nutzungsdauer gegenüber. Eine einfache Lösung: Jeder bringt sein eigenes Geschirr mit – so hält sich der Aufwand des Schleppens und Spülens in Grenzen. Und überhaupt: Am meisten Spaß macht das Grillen doch mit einem Hauch von Improvisation und ohne Perfektionsanspruch – außer bei den Zutaten.