Das Prinzip einer Regionalwert AG hat etwas fröhlich- ironisches. Sie arbeitet mit Instrumenten des klassischen kapitalistischen Wirtschaftssystems für ein neues Wirtschaften. Ihre Organisationsform ist die Aktiengesellschaft, in der ja auch Unternehmen wie Volkswagen oder BASF organisiert sind. Jede Regionalwert AG ist ebenfalls eine ordentliche Aktiengesellschaft mit einem Vorstand und einem Aufsichtsrat. Sie tun das, was AGs tun: Sie sammeln Geld von den Aktionären ein, mit dem sie dann ihren Geschäften nachgehen. Allerdings sind ihre Investoren Bürger, die ihr Geld in der Region investieren wollen und zwar in landwirtschaftliche Betriebe, handwerkliche Lebensmittelherstellung oder Gastronomie, die ganz überwiegend auf Bio, immer auf Ökologie und Nachhaltigkeit setzen.
Regionalwert AGs – Win-Win für alle Beteiligten
Hier geht die Investition über den Geldfl uss hinaus: Im »Nachhaltigkeitssprech« würde man sagen, alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette sind miteinander vernetzt. Konkret heißt das: Die investierenden Bürger kaufen gerne und möglichst viel bei den Regionalwert-Partnern ein. Die von der Regionalwert AG unterstützten Unternehmen unterstützen sich gegenseitig, indem zum Beispiel der Gastronom beim Bauern die Lebensmittel einkauft. Über die Investition hin- aus entsteht ein Netzwerk. Hier schwingt die Idee des Selbstversorgungsprinzips mit, übertragen auf eine ganze Region. Wie wichtig diese sogenannte Ernährungssouveränität sein könnte, hat die Corona-Krise und die mit ihr verbundene plötzliche Erschütterung der internationalen Lieferketten gerade gezeigt. Ein aktuelles Projekt der Regionalwert AG Hamburg zeigt beispielhaft, wie es funktioniert: Die »Liekedeeler« Grundversorgungskiste sorgt dafür, dass Menschen regio nale Lebensmittel nach Hause geliefert bekommen und hilft Landwirten, Lebensmittelverarbeitern und Gastronomen, die ihre gewohnten Kunden in KiTas und Kantinen nicht beliefern können – Win-Win für alle Beteiligten.
Die Idee für die Regionalwertökonomie stammt von Christian Hiß, selbst auf einem Bio-Hof aufgewachsen und Demeter-Gärtner. Aus seiner Erfahrung , dass sich Banken lediglich für die betriebswirtschaftliche Rentabilität interessierten, wenn es um Investitionen und Finanzierung ging, wurde der Gründungsimpuls: Zu zeigen, dass es sich erfolgreich wirtschaften lässt, auch und gerade, wenn ökologische und soziale Faktoren mit ein berechnet werden. 2006 gründete er die erste Regionalwert AG in Freiburg, 2011 waren bereits 500 Anteilseigner dabei.
Aktuell gibt es Regionalwert AGs in Freiburg, Hamburg, Isar-Inn und Rheinland, weitere Initiativen in Nord- und Süddeutschland stehen in den Startlöchern. Verbindung, Vernetzung, Wissensbündelung und Beratung im Netzwerk laufen über die Regionalwert Treuhand.
Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 87 — Sommer 2020