Frühjahrsputz – ach, das klingt großartig. Mit dem Staub auch gleich das Verstaubte entsorgen, ein streifenfreier Neuanfang in Räumen, die jedem Überraschungsbesuch entgegenblitzen … die Realität sieht oft anders aus und das ist auch gar nicht so schlimm.
Denn das A und O eines realistischen Sauberkeitslevels sind eher die Routinen, weiß Anke Schmidt. Sie bloggt auf Wasteless Hero und ist Autorin des Buches ›Schlauer Putzen‹. »Natürlich ist es toll, wenn man gelegentlich mal ein großes Grundreinemachen veranstaltet. Da kann man zum Beispiel die Waschmaschine abrücken und dahinter sauber machen. Aber viel einfacher und auf Dauer erfolgversprechender ist es, jeden Tag ein bisschen zu machen.« Und wer definiert überhaupt, wann etwas sauber ist? Für Sauberkeit im Haushalt existiert (glücklicherweise) keine DIN-Norm. »Das ist eine Frage, die hängt ganz vom Individuum ab«, findet Anke Schmidt. Speziell in Küche und Bad sei eine gewisse Hygiene schon wichtig. »Aber ob man sich nur wohl fühlt, wenn man nach jedem Händewaschen die Armatur abtrocknet oder ob auf dem Küchentisch auch mal ein paar Krümel liegen dürfen, das ist individuell sehr unterschiedlich.«
Wie sauber für uns sauber ist und wie wir putzen, das scheint vor allem über unser Elternhaus angelegt zu werden, wie der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW) in seiner Studie ›So putzt Deutschland‹ 2022 feststellt. Der Grund dafür klingt einleuchtend: Menschen lernen über Vorbilder. Aber: »Man sieht selten Freunden oder Bekannten beim Putzen zu. Man sieht nur eine saubere Wohnung, hat aber keine Information über den Weg dahin.«
5,1 Milliarden Euro für Putzmittel
Egal, ob Ihr alleine oder mit anderen, nach ausgeklügelten Routinen oder völlig spontan putzt: Ohne die passenden Reinigungsmittel läuft nichts. Und davon werden in Deutschland jedes Jahr jede Menge gekauft: 5,1 Milliarden Euro betrug der Umsatz mit dem Segment laut IKW 2022. Die Corona-Pandemie befeuerte die Umsätze mit allem, was sauber machte, aktuell geht die Tendenz wieder in Richtung Normalniveau. Aber welche Putzmittel braucht man wirklich? Auch hier hängt die Antwort davon ab, wen man fragt.
Das Angebot im konventionellen Bereich ist auf jeden Fall überwältigend: Neben den herkömmlichen Spülmitteln, Glasreinigern und so weiter finden sich dort jede Menge Spezialprodukte für jeden denkbaren Fall: Da wären zum Beispiel die feuchten ›Bodentücher mit Frische-Duft‹, der ›Hygienereiniger Kühlschrank mit Bio-Alkohol‹, die ›Kaffeemaschinen-Reiniger-Tabs‹ oder der violette ›WC-Stein mit Magnolienduft‹. Sie alle versprechen Sauberkeit ohne viel Anstrengung – und natürlich perfekte Hygiene. »Einige Reinigungsmittel erwecken den Eindruck, als gehe es beim Putzen um einen Kampf gegen gefährliche Mächte«, spöttelt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen dazu auf ihrer Website.
Harte Chemie: Gängig, aber unnötig
Denn in diesem Kampf scheint jedes Mittel recht: Aggressive Tenside, bleichende Substanzen, Duftstoffe, Lösemittel, organische und anorganische Säuren, Weichmacher … die Liste ist lang. Sie belasten nicht nur die Umwelt, sondern können auch Allergien, Hautschäden und Probleme mit den Atemwegen verursachen, zumal viele Mittel gesprüht werden. Dabei geht es auch anders, wie die Fraktion der Putz-Minimalisten beweist: Sie kaufen überhaupt keine Putz- und Reinigungsmittel, sondern arbeiten mit ganz einfachen traditionellen Substanzen wie Natron, Zitronensäure, Essig, Alkohol etc. Dabei geht es ihnen nicht nur darum, die Umwelt und ihren Haushalt nicht mit chemischen Substanzen zu belasten, sondern auch darum, Verpackungen zu vermeiden.
»Nachhaltig zu putzen, das war früher kein Thema für mich. Plastik vermeiden, keinen Müll produzieren – das war mein Weg. Und weil Putzmittel oft wahnsinnig aufwändig in Plastik verpackt sind, kam ich zu der Frage, was nehme ich denn jetzt. Heute stelle ich die meisten Produkte aus einfachen Basics selbst her, egal, ob Spülmittel oder WC-Reiniger. Nur den Reiniger für die Geschirrspülmaschine und Waschmittel kaufen wir doch fertig.« Die meisten Haushalte dürften einen Mittelweg gehen: Sie kaufen Putzmittel und setzen dabei auf eine Handvoll Basics wie Geschirrspülmittel und WC-Reiniger, Glas- und Allzweckreiniger. Doch nicht nur in Spezialreinigern, auch in diesen Produkten können selbstverständlich schädliche Substanzen enthalten sein.
Bio bietet ökologische Alternativen
Da muss es doch Alternativen geben? Na klar – bereits Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre entstehen mit Sonett und Sodasan die ersten ökologischen Putz- und Reinigungsmittelfirmen. Auch wenn sie keine Lebensmittel herstellen, zählen sie definitiv zu den Bio-Pionierunternehmen. »Die meisten haben früher bei Bio ausschließlich an Lebensmittel gedacht«, erzählte Sodasan-Mitgründer Jürgen Hack Bioboom 2017. Dabei punkten Unternehmen wie Sonett, Sodasan und das 1993 gegründete AlmaWin mit Produkten, die, wie es bei Sodasan heißt, »sauber sauber machen« und bestens zu einem nachhaltigen Lebensstil passen. Sie verwenden keine Rohstoffe aus Erdölchemie oder Gentechnik, kein Mikroplastik, keine synthetischen Farb- und Duftstoffe. Statt dessen sorgen Seifen oder milde Tenside aus nachwachsenden Rohstoffen und Düfte aus natürlichen ätherischen Ölen für Wohlfühl-Sauberkeit. Klingt überzeugend, oder? Trotzdem liegt der Umsatz mit ökologischen Putz- und Reinigungsmitteln weit unter dem mit Bio-Lebensmitteln: Nur jede:r zehnte, so schätzt man, kauft im Bio-Markt auch Putz- und Reinigungsmittel. Woran liegt‘s? Den Angstgegner Schmutz mit Samthandschuhen anfassen? Das kommt nicht infrage – viele haben Angst, dass ökologische Reiniger nicht sauber genug machen. »Viele Menschen verbinden mit Sauberkeit ganz bestimmte Gerüche, eben genau diese strengen Zitrus- oder sogar Chlorgerüche konventioneller Reiniger«, stellt Bloggerin Anke Schmidt fest. Schnell entsteht so der (falsche) Umkehrschluss: Riecht nicht – macht nicht richtig sauber. Und wie alle Produkte im Bio-Markt, stehen auch die Öko-Putzmittel unter dem Generalverdacht, teuer zu sein. Natürlich kosten ökologische Marken-Reinigungsmittel mehr, als ein No-Name-Produkt aus dem Supermarkt. Aber mal ganz abgesehen von den ökologischen Vorteilen und der besseren Verträglichkeit: Viele der ›Ökos‹ sind hochkonzentriert und man braucht nur wenige Spritzer – betrachtet man die Kosten pro Anwendung, relativiert sich der Preis auf ein paar Cent pro Anwendung.
Weniger ist mehr
Punkten können ökologische Reinigungsmittel auch, wenn es um die Verpackung geht: Konzentrate benötigen weniger Verpackungsmaterial, Nachfüllpackungen und Kanistersysteme sparen zusätzlich ein, feste Produkte bieten Alternativen zur Flasche. Gute Gründe, den Putzmittel-Einkauf mit dem Bio-Einkauf zu erledigen. Und apropos Nachhaltigkeit, ein Abschlusstipp von Anke Schmidt: »Früher haben wir gelegentlich und dann stundenlang mit ordentlich Putzmittel geputzt. Jetzt lassen wir gar keine Riesendreckberge mehr entstehen. Das geht nicht nur schneller, sondern so ist Nachhaltigkeit viel einfacher zu verwirklichen.«
Anke Schmidt
Schlauer putzen, 128 Seiten,
Verlag Eugen Ulmer, 16,00 € (D)
→ Jeanine Tovar